Es waren gut und gerne 70 Meter, die der 1,96 Meter große Koloss im Vollsprint zurücklegte: Eben hatte Dan-Axel Zagadou das 1:1 für Borussia Dortmund bei Hannover erzielt, nun spurtete er zur BVB-Bank und sprang seinem väterlichen Freund und Dolmetscher Massimo Mariotti in die Arme (27.). Gut 50 Minuten später legte der Abwehrspieler den fast identischen Weg deutlich langsamer und erkennbar bedröppelt zurück. Denn wenige Sekunden zuvor hatte ihm Schiedsrichter Patrick Ittrich wegen einer Notbremse die Rote Karte gezeigt (59.) – ein Grund dafür, dass Dortmund in Hannover schließlich 2:4 (0:1) verlor.
Zwar hatte Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang hatte seine Muskelbeschwerden rechtzeitig überwunden und war ebenso in die Startelf zurückgekehrt wie Mario Götze, Christian Pulisic und Gonzalo Castro, die die Zulieferdienste übernehmen sollten. Das allerdings gelang kaum, Aubameyang blieb das gesamte Spiel über wirkungslos – und Hannover war nicht nur zu Beginn die druckvollere Mannschaft. Mavin Bakalorz‘ Fernschuss strich knapp vorbei (7.), nach schönem Solo von Bebou klärte Roman Bürki in höchster Not vor Pirmin Schwegler zur Ecke (16.). Nur wenig später aber stand der Schweizer Torhüter erneut im Mittelpunkt: Hannover konterte den viel zu weit aufgerückten BVB aus, Julian Korb gab auf Oliver Sorg, der beim herauslaufenden Bürki einfädelte – und Ittrich entschied auf Elfmeter, den Video-Assistent Wolfgang Stark nicht revidierte. Jonathas verwandelte sicher (20.).
Jetzt erst wurden auch die Gäste mal gefährlich: Pulisic ließ seinen Gegenspieler auf der linken Seite stehen und flankte auf Pierre-Emerick Aubameyang, der knapp verpasste (24.). Und dann brachte Nuri Sahin einen Abpraller nach einem Abpraller sofort wieder in Richtung Tor, Bakalorz klärte vor die Füße von Zagadou und der schob vom Elfmeterpunkt ein (27.). Das Dortmunder Spiel aber blieb uninspiriert, meist wurde der lange Ball nach vorne gewählt – und doch hätte der BVB in Führung gegen müssen: Pulisic eroberte den Ball von Salif Sané, bediente den völlig freistehenden Andrey Yarmolenko – doch der schaffte es, aus sieben Metern das weitgehend entblößte Tor zu verfehlen (36.).
Dafür schlugen die Gastgeber erneut zu: Wieder brachte ein einziger Steilpass die Dortmunder Defensive in höchste Not, Jonathas lief rechts davon und bediente Bebou, der gegen Bürkis Laufrichtung einschob (40.) – die durchaus verdiente Führung für die druckvolleren Hannoveraner, die auch zur Pause Bestand hatte.
Doch kurz nach Wiederanpfiff bescherte erneut ein Hannoveraner Abwehrpatzer den Ausgleich: Marcel Schmelzer flankte, Sané klärte per Kopf vor seinem eigenen Torhüter – genau auf Yarmolenko, der wuchtig zum 2:2 einschoss (52.). Es folgte die erste wirkliche Dortmunder Drangphase – jäh unterbrochen durch einen langen Hannoveraner Ball auf Jonathas, den Zagadou als letzter Mann zu Fall brachte. Der Platzverweis war die logische Folge. Und damit nicht genug der Nackenschläge: Den fälligen Freistoß schoss Felix Klaus aus 30 Metern über die Mauer zum 3:2 für die Hausherren ein (60.).
Der BVB ging nun volles Risiko und erarbeitete sich vor allem durch Pulisic aussichtsreiche Gelegenheiten, die aber allesamt ungenutzt blieben. Auf der Gegenseite tauchte Klaus nach einem Konter frei vor Bürki auf, doch der reagierte glänzend (63.). Und auch Bebou vergab zunächst aus gefährlicher Position (73.), machte dann aber kurz vor Schluss alles klar, als er gegen den defensiv nun komplett entblößten BVB aus der eigenen Hälfte startete und zum 4:2 traf (86.) – wegen der vielen Dortmunder Unzulänglichkeiten in Abwehr und Angriff letztlich ein verdienter Erfolg der Gastgeber, während die Spiel- und Ergebniskrise beim BVB weiter anhält.