Als hätte es die Jahre dazwischen nicht gegeben, als wäre er immer noch der gleiche Jüngling wie damals, hat André Schürrle zu Beginn des Trainings am Freitagnachmittag erst einmal nur Späße im Sinn. Er schnappt sich einen Ball und bewirft die Kollegen damit, flüchtet dann. Kindsköpfigkeit. Gelächter. Wie damals, als auch Fußball spielen sich genau so leicht anfühlte. In diesen Tagen muss er an jene Zeit denken. Denn am Sonntag kehrt er mit Borussia Dortmund dorthin zurück, wo alles begann: Mainz. Bundesliga, Rückrundenstart.
„Das ist immer ein sehr besonderes Spiel für mich“, sagt der Nationalspieler vor der Partie am Sonntag (17.30 Uhr) beim FSV, seinem früheren Klub. Die Art, wie er das sagt, lässt keinen Zweifel am Inhalt zu. Schon als Jugendlicher kickte er dort, immer den Traum vor Augen, es einmal auf die große Bühne zu schaffen. „Ich liebe den Verein, die Fans, die Verantwortlichen – alle sind tief in meinem Herzen, denn ihnen verdanke ich alles“, sagt er über Mainz. 2009 das Bundesliga-Debüt, danach die Erfolgssaison an der Seite von Lewis Holtby und Adam Szalai. Wenn einer von ihnen eines der vielen Tore geschossen hatte, dann rannten sie zur Eckfahne und mimten eine kleine Band, Schürrle an der Gitarre. Die Bruchweg-Boys. Mainz rockte die Liga. Schürrles Trainer damals hieß Thomas Tuchel. Schürrles Trainer heute heißt Thomas Tuchel. Und doch ist irgendwie so viel so anders.
Natürlich ist es einfacher, wenn man weniger oder nichts kostet. Aber ich kenne es nicht anders.
Andrè Schürrle
Damals passierte alles zum ersten Mal mit Schürrle. Es war aufregend, es war unbeschwert. Mittlerweile ist aus dem jugendlichen André der dichtbärtige Herr Schürrle geworden. Nationalspieler, Weltmeister, einstiger England-Legionär. 30 Millionen kostete er den BVB im Sommer. Vereinsrekord. „Natürlich ist es einfacher, wenn man weniger oder nichts kostet. Aber ich kenne es nicht anders“, sagt er. Doch wenn der 26-Jährige nun erstmals als Borusse zurück kommt in die Stadt, zu der er diese besondere Beziehung hat, dann ist nicht einmal gewiss, ob seine Dienste benötigt werden.
Dabei hatte das neue Jahr fast perfekt für ihn angefangen letzte Woche beim Spiel in Bremen (2:1). Schürrle vertrat den beim Afrika-Cup weilenden Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang als Stürmer. Er tat das gut, schoss sein erstes Bundesliga-Tor für Schwarz und Gelb. „Das war mir sehr wichtig und zeigt, dass ich körperlich und mental wieder da bin nach einer schweren Phase in der Hinrunde“, sagt er. Verletzt war er lange, dann fand er Fitness und Form nicht. Nun kommt ihm ein wenig die Rückkehr von Aubameyang in die Quere.
Der Gabuner ist wegen des frühen Ausscheidens seines Landes seit Donnerstag wieder im Training, dürfte seinen Platz in der Startformation sicher haben. Dort, wo sich Schürrle noch für weitere Aufgaben bewerben wollte. Denn als Stürmer fühlt er sich wohl. „Ich gehe in der Position schon auf“, sagt er. Auch in der Nationalmannschaft könnte er sich vorstellen, diese vakante Stelle zu übernehmen. Nun aber muss er erstmal versuchen, „irgendwo anders meine Position zu finden“. Im offensiven Mittelfeld herrscht im derzeit fast verletzungsfreien Dortmund zwischen Mario Götze, Marco Reus, Ousmane Dembélé, Raphael Guerreiro, Gonzalo Castro, Christian Pulisic und Shinji Kagawa aber dichtes Gedränge. Kein Platz für Schürrle? Rückkehr nach Mainz als Nebendarsteller?
Es liegt in den Händen des Mannes, der ihn genau dort groß gemacht hat. Einem Mann, der sich offenbar nicht grundlegend verändert hat. „Er hat sich weiterentwickelt und ist ein bisschen ruhiger geworden“, sagt Schürrle über Tuchel. „Aber in seinem Naturell, in seinem Umgang mit den Spielern ist er der gleiche geblieben.“