Der Held des Abends wusste überhaupt nicht, wie ihm geschah. Immer wieder schüttelte Joel Matip ungläubig den Kopf. "Das war sehr glücklich, sehr kurios", sagte der Doppeltorschütze nach dem 2:1 (1:0) von Schalke 04 gegen Fortuna Düsseldorf: "Aber wir nehmen die Tore, wie sie fallen - ob mit dem Knie oder dem Schienbein, egal."
Beim 1:0 hatte der 21-Jährige den Ball noch mit dem Knie über die Linie bugsiert (29.), beim Siegtreffer dagegen traf der Abwehrspieler in bester Gerd-Müller-Manier: Er drehte sich einmal um die eigene Achse und überwand Torhüter Fabian Giefer (81.). Dann sah er sich fragend um, weil er glaubte, im Abseits gestanden zu haben.
Dass ausgerechnet der Deutsch-Kameruner mit dem ersten Doppelpack seiner Karriere den ersten Schalker Sieg seit fünf Wochen perfekt machte, hatte Symbolcharakter. Der WM-Teilnehmer von 2010 war in den vergangenen Wochen immer wieder von den eigenen Fans ausgepfiffen und verhöhnt worden. Mit seiner Verunsicherung und seinen teilweise haarsträubenden Fehlern personifizierte er wie kein anderer die Schalker Krise.
"Jetzt hat er den Leuten das Maul gestopft", sagte Mittelfeldspieler Jermaine Jones mit gewohnt drastischen Worten. Matip selbst schien dem Jubel um seine Person nicht so recht zu trauen. Zu tief saß der Schmerz der vergangenen Wochen. "Pfiffe sind sehr hart, aber sie gehören dazu, dennoch wünsche ich sie niemandem", sagte er und deutete an, was er zuletzt durchgemacht hatte: "Es ist ja bei jedem so: Wenn es auf der Arbeit schlecht läuft, hat es Auswirkungen auf das Privatleben."
Stand Matip beim sportlichen Absturz der vergangenen Monate für das kriselnde Schalke, so ist seine jüngste Entwicklung beispielhaft für den beginnenden Aufwärtstrend. Schon beim 1:1 in der Champions League bei Galatasaray Istanbul meldete er mit einer fehlerlosen Leistung die Stürmerstars Didier Drogba und Burak Yilmaz weitgehend ab. "Für Joel ist das natürlich Balsam", meinte Sportvorstand Horst Heldt.
Heldt glaubt weiterhin an den "Hunter"
Die Stürmerqualitäten des hochtalentierten, aber sensiblen Matip, der manchmal elegant wie der junge Franz Beckenbauer, dann wieder ungelenk wie ein Basketballer beim Fußball wirkt, hatten die Königsblauen bitter nötig. Denn ihr eigentlicher Torjäger fiel wieder einmal komplett aus. Klaas-Jan Huntelaar, seit dem 27. November in 431 Bundesliga-Minuten ohne Treffer, war nur ein Schatten seiner Selbst. Bei seiner einzigen Torchance senste er über den Ball, in der zweiten Halbzeit stand er fünfmal im Abseits. "Er ist natürlich auch davon abhängig, was andere für ihn erspielen", meinte Heldt, "ich bin überzeugt, dass er bald wieder wichtige Tore machen wird."
Huntelaars Tore werden die Schalker in den kommenden Wochen benötigen, wenn sie tatsächlich noch einmal die Europapokalplätze angreifen wollen. Mit dem zweiten Sieg im achten Pflichtspiel unter Trainer Jens Keller rückten sie immerhin bis auf einen Punkt an die Europa League und fünf Zähler an den Qualifikationsplatz für die Champions League heran.
Wie fragil der Aufschwung allerdings noch ist, zeigte sich beim Gegentor durch Axel Bellinghausen (56.). Beim ersten ernstzunehmenden Angriff des Aufsteigers schauten alle Schalker Defensivkräfte nur zu. Danach war es mit der Dominanz der ersten Halbzeit vorbei, Angst machte sich wieder breit - bis Matip den Gerd Müller machte.
Düsseldorf hatte sich die erste Niederlage auf Schalke seit dem 14. April 1987 (2:4) vor allem aufgrund der Passivität in den ersten 40 Minuten selbst zuzuschreiben. "Da haben wir überhaupt nicht stattgefunden und sind überall der Kapelle hinterhergelaufen", gab Bellinghausen zu. Auch Trainer Norbert Meier war nur mit der zweiten Hälfte zufrieden: "Da haben wir viel mutiger gespielt."
Trotz der Niederlage ist der Abstand zum Relegationsplatz noch komfortabel: Neun Punkte trennen die Fortuna vom Tabellen-16. FC Augsburg. Da konnte Meier auch ganz entspannt die Spekulationen um einen Wechsel seines Torhüters Giefer nach Schalke kommentieren: "Sie kennen doch Grimms Märchen. Vielleicht ist eine neue Auflage in Druck."