Der Kasten Bier in der Kabine war leer, und niemand wollte etwas getrunken haben. "Das waren die Jungs, die zur Dopingkontrolle sind", sagte Torschütze Jermaine Jones nach dem 1:1 (1:1) von Schalke 04 bei Galatasaray Istanbul und schmunzelte. Klaas-Jan Huntelaar hatte den zuletzt leidgeprüften Sportvorstand Horst Heldt in Verdacht: "Vielleicht hat der Horst alles leer getrunken."
Beim Krisenklub blühte nach dem Achtelfinalhinspiel in der Champions League der Flachs. Es wurde gescherzt, gelacht - und sogar ein bisschen gefeiert. "Natürlich haben wir was zu feiern", sagte Jones, der mit seinem Tor (45.) die arg gebeutelten Königsblauen vom Viertelfinale und weiteren Millioneneinnahmen träumen ließ. Allerdings fehlt der US-Nationalspieler nach seiner dritten Gelben Karte im Rückspiel am 12. März.
Auch wenn wieder kein Sieg gelang und die Gelsenkirchener mittlerweile in den letzten 13 Pflichtspielen nur einmal gewannen, durfte sich vor allem einer als Gewinner fühlen: Trainer Jens Keller. Der umstrittene Nachfolger von Huub Stevens, der bislang so wenig neue Akzente gesetzt hatte, machte in seinem ersten Spiel in der Königsklasse alles richtig.
In der Mannschaftssitzung vor der Abfahrt aus dem Hotel spielte er 45 Sekunden lang die ohrenbetäubende Klangkulisse der Türk Telekom Arena ein. "Man konnte die Stereoanlage ja nicht so laut aufdrehen, wie es in Wirklichkeit war", sagte Jones: "Es war eine gute Idee." So blieben die Schalker nach dem frühen 0:1 durch Burak Yilmaz (12.) cool, als die Trommelfelle zu platzen drohten.
Kolasinac schüttelt sich und macht eine klasse Partie
Und Keller brachte den unerfahrenen Sead Kolasinac für den seit Wochen indisponierten österreichischen Nationalspieler Christian Fuchs auf der linken Abwehrseite. Der 19-Jährige dankte es ihm - unter anderem gegen Champions-League-Sieger Didier Drogba - mit einer fehlerfreien, kämpferisch herausragenden Leistung. Obwohl ihm zwischendurch der Durchblick fehlte. "Er ist in der ersten Halbzeit mit Drogba zusammengeknallt und hat alles ein bisschen verschwommen gesehen", berichtete Keller: "In der Halbzeit hat er sich zwei-, dreimal geschüttelt und dann durchgespielt."
Dem Gegenspieler meistens einen Schritt voraus: Sead Kolasinac stellte seine Qualität in Istanbul unter Beweis.
Mit der Hereinnahme des letztjährigen A-Junioren-Meisters setzte der Stevens-Nachfolger, der beim 2:2 am vergangenen Samstag schon den 17-jährigen Max Meyer eingewechselt hatte, endlich ein Zeichen. Und im siebten Spiel unter seiner Leitung war auch taktisch eine Handschrift erkennbar.
Neue Einigkeit in Sachen Taktik
Mit frühem Pressing ließen die Königsblauen den türkischen Meister mit Drogba und dem maßlos enttäuschenden Wesley Sneijder kaum zur Entfaltung kommen. Hätte nicht Roman Neustädter mit einem katastrophalen Fehlpass das Gegentor eingeleitet - Schalke hätte als Sieger vom Bosporus nach Hause fliegen können. "Vorher hatten nicht alle die gleiche Idee", sagte Huntelaar: "Einer geht nach vorne, einer nach hinten, einer links, einer rechts. In diesem Spiel war deutlich zu sehen, dass alle versucht haben, Druck auf den Gegner zu machen."
Hinten hielt Timo Hildebrand die gute Ausgangsposition fest. Den ehemaligen Nationalkeeper hatte Keller - anders als sein Vorgänger Stevens - zur unumstrittenen Nummer eins gemacht. "Es ist immer gut, wenn ein Torwart weiß: Ich spiele", sagte der 33-Jährige: "Und es ist für die Mannschaft gut, wenn sie weiß: Das ist unser Torwart."
Ein Schalker Liebling ist wieder zu haben
Ob nun die Diskussionen um Keller verstummen, ist ungewiss. Zumal der Ur-Schalker Mike Büskens nach seiner Entlassung in Fürth als sofortige Alternative infrage käme. "Der Name hat doch vorher schon in der Zeitung gestanden", äußerte Heldt achselzuckend. Keller hilft nur, wenn sein Team die Leistung aus der Champions League auch am Samstag (18.30 Uhr/Sky und Liga total!) in der Bundesliga gegen Fortuna Düsseldorf wiederholt.
"Wir müssen in den nächsten Spielen punkten, das ist klar", forderte Heldt: "Ich hoffe, dass die Mannschaft jetzt kapiert hat, was sie machen muss, um erfolgreich zu sein. Und wenn wir die Ergebnisse liefern, dann kehrt auch wieder Ruhe ein."