Mit seiner etwas draufgängerischen jugendlichen Art hatte er in seinem ersten Profijahr in der Zweiten Liga auf sich aufmerksam gemacht. Die Interessenten standen bereits Schlange, neben Schalke buhlte unter anderem der Reviernachbar Borussia Dortmund um den Linksfuß. Holtby entschied sich für Schalke, verärgerte aber bei seinem Bundesliga-Debüt den strengen Trainer-Manager Felix Magath und musste sich erst einmal über die Stationen VfL Bochum und Mainz 05 weitere Meriten verdienen.
Zaubern für Deutschland, zaudern auf Schalke
Nun hat er das erste komplette Jahr in Gelsenkirchen hinter sich und nach wie vor scheiden sich an ihm die Geister. Schafft Holtby nach dem Weggang Raúls den Durchbruch zur spielbestimmenden Figur auf Schalke oder bleibt er trotz immerhin schon 79 Einsätzen in der höchsten deutschen Spielklasse ein ewiges Talent? Dienstagabend in Offenbach: Holtby führt die deutsche U21-Nationalelf nicht nur als Kapitän aufs Feld, sondern ist Dreh- und Angelpunkt und zweifacher Torschütze beim 6:1-Sieg der DFB-Auswahl im Freundschaftsspiel gegen Argentinien. Eine überzeugende Vorstellung, diese Qualität möchten die Schalker Fans von Holtby endlich auch öfter im S04-Trikot sehen. Auf der anderen Seite kickt Holtby schon drei Jahre für die deutsche Nachwuchstruppe, während der genau so viele Jahre jüngere Klubkollege Julian Draxler gerade auf der Überholspur an ihm vorbei gezogen ist. Denn Holtbys klasse Leistung gegen Argentiniens U21 in allen Ehren: Draxler gehörte einen Abend später zum Aufgebot der DFB-A-Nationalelf gegen „das richtige“ Argentinien mit Superstar Lionel Messi.
Für den Spaßfußballer, dessen Unbekümmertheit abseits des Platzes ansteckend wirkt, ist die Schonzeit vorbei. Von Holtby dürfen die Schalker Verantwortlichen ebenso wie die Fans nichts weniger als das erwarten, was die Nummer auf seinem Trikot hergibt. Die „Zehn“, die der Blondschopf im Verein wie beim DFB trägt, hat zwar innerhalb eines funktionierenden Mannschaftsgefüges nicht mehr die überragende Bedeutung wie früher, doch Holtby hat nun einmal etwas mehr spielerisches Potenzial in die Wiege gelegt bekommen als der durchschnittliche Fußball-Fleißarbeiter.
Nun schwankt der bald 22-Jährige selbst zwischen eigenen Ansprüchen und seinem Selbstverständnis als Teamplayer. „Ich sage es ganz ehrlich – es ist mir absolut wurscht, wo ich spiele“, sagte Holtby noch im Trainingslager in Klagenfurt im Gespräch mit der WAZ. „Es gab auch eine Zeit in der vergangenen Saison, als ich zwei-, dreimal draußen war. Ich sage doch nicht wie eine Diva, ich würde nur auf der Zehn spielen, und alles andere wäre Käse. Das ist nicht mein Stil.“ Sein Stil ist bisher allerdings nicht eindeutig definiert. In der vergangenen Saison verkörperte er den modernen Zwischenspieler, der defensive Aufgaben genau so gut erfüllen sollte wie den Part des Tore schießens. Mit sechs Treffern hatte Holtby da keine schlechte Ausbeute und auch kämpferisch verdiente er sich meistens gute Noten. Allein die spielerischen Geniestreiche, wie Holtby sie in Mainz zuhauf zeigte und auch am Dienstag gegen Argentinien aufblitzen ließ, wurden auf Schalke bisher schmerzlich vermisst.
Von dem immer noch jungen Spieler zu erwarten, er solle die Lücke füllen, die ein Weltstar wie Raúl hinterlassen hat, würde ihm nicht gerecht werden. Dass er nun aber den nächsten Schritt in seiner Entwicklung geht und häufiger für die großen Momente des Fußballs sorgt, ist sicher nicht zu viel verlangt. Gerade die Champions League, in der er noch vor seinem Debüt steht, bietet einem Hochtalentierten wie Holtby die perfekte Bühne.