Ausgerechnet im Bundesliga-Spitzenspiel gegen Bayern München strafen die Fans von Schalke 04 ihre Stars mit Liebesentzug. Genau 19:04 Minuten lang will der königsblaue Anhang zu Beginn der Partie gegen den Fußball-Rekordmeister am Sonntag (17. 00 Uhr/live bei arena) schweigen, weil er nach den zuletzt schwachen Leistungen des Titelanwärters `sprachlos´ ist. `Das ist nicht besonders angenehm´, gab Trainer Mirko Slomka, der selbst in der Kritik steht, zu: `Aber wir akzeptieren die Meinung der Fans. Denn es hat immer wieder schwere Rückschläge gegeben.´ Auch Manager Andreas Müller zeigte Verständnis für die Aktion der Fans, die stumm bleiben wollen, bis die Stadionuhr das Gründungsjahr 1904 anzeigt. `Sie haben ein sehr feines Gespür für die Mannschaft´, sagte der Ex-Profi:
`Sie wissen, dass sie viel, viel mehr leisten kann. Sie fordern Einsatz, Biss und Leidenschaft. ` Zum wiederholten Mal nahm der Nachfolger von Rudi Assauer die Spieler in die Pflicht: `Ich glaube nach wie vor an die Mannschaft und ihren Charakter. Aber jetzt muss der Schalter umgelegt werden, sie muss der Erwartungshaltung endlich mal gerecht werden.´ Derartige Appelle von Slomka und Müller waren allerdings schon in der Vergangenheit wirkungslos verhallt. Sowohl nach dem Erstrunden-Aus im UEFA-Cup beim AS Nancy als auch nach dem K.o. im DFB-Pokal beim Zweitligisten 1. FC Köln blieb die eingeforderte Reaktion aus - es folgten jeweils ernüchternde Niederlagen in der Bundesliga. Die Fans, die schon lange in diversen Internetforen auch den Trainer und den Manager harsch kritisieren, reagierten jetzt: Die Verbände Supporters Club, Ultras Gelsenkirchen, Schalker Faninitiative und Schalker Fanprojekt einigten sich auf die Schweigeaktion, um auf den `ernst zu nehmenden Entfremdungsprozess´ zwischen Mannschaft und Anhänger hinzuweisen. Slomka, der vorerst noch die Rückendeckung des Vorstandes und des Aufsichtsrates genießt, hofft auf ein schnelles Ende des Protestes.
`Wir wollen das Schweigen schnell brechen und früh ein Tor schießen, damit die Fans uns wieder unterstützen.´ Dabei setzt der umstrittene Trainer auch auf die eindrucksvolle Heimbilanz der Königsblauen, die zuletzt 1998 zu Hause gegen den Rekordmeister verloren: `Wir werden unsere Heimstärke ausspielen.´ Über mögliche Konsequenzen im Falle einer Niederlage will Slomka nicht nachdenken. `Ich gehe nicht davon aus, dass wir verlieren´, sagte der 39-Jährige und betonte noch einmal: `Ich arbeite sehr hart und bin sicher, dass ich die Mannschaft erreiche. ` Auch Müller hat `in meinem Kopf keinen Platz für Gedanken an eine Niederlage´ und wollte sich deshalb auch nicht äußern, was am Montag passieren könnte: `Ich beschäftige mich überhaupt nicht mit dieser Frage.´ Aufsichtsratschef Clemens Tönnies hatte Slomka noch einmal den Rücken gestärkt, aber auch angedeutet, dass die Geduld irgendwann erschöpft sei. `Es darf natürlich nicht ewig dauern. Irgendwann müssten wir reagieren, aber das ist jetzt verfrüht. Wir gehen erstmal durch diese Woche durch´, sagte der Fleischfabrikant, der dem Trainer bescheinigte:
`Mirko arbeitet wie ein Pferd. Hätte er zwei Spiele mehr gewonnen, wäre er der beste Trainer aller Zeiten.´ Die Zukunft Slomkas dürfte sich wohl in der `Woche der Wahrheit´ entscheiden, die mit dem Topspiel gegen Bayern beginnt. Am kommenden Mittwoch sind die Königsblauen bei Borussia Mönchengladbach zu Gast, am darauf folgenden Samstag steht das Heimspiel gegen Mainz 05 an. Nach dem doppelten Pokal-Aus bleibt dem ambitionierten Traditionsklub nur noch die Bundesliga, in der er forsch die achte deutsche Meisterschaft als Ziel formuliert hatte und zumindest die Champions-League-Plätze erreichen muss.