„Schließlich spielen meine Jungs ja am Mittwochabend gegen Sofia und nach der langen Pause giert man einfach danach, den Verein zu sehen“, erklärt der 44-Jährige seine Grundidee. Gesagt, getan. Am Mittwochmorgen begab er sich frohen Mutes um vier Uhr auf die lange Reise. In seinem Ford Focus lief natürlich der Zebra-Twist. „Ich wollte mich ja schon einmal auf das Spiel einstimmen“, meint Kraitzek. Nach einer über achtstündigen Autobahnfahrt kam er schließlich bei strahlendem Sonnenschein in Velden an. Und weil er davon ausging, dass das Testspiel gegen Sofia erst um 18.30 Uhr angepfiffen wird, nutzte er die Freizeit für eine Erkundigung des Nobel-Städtchen am Wörthersee.
Doch am Schloss wurde ihm dann der Boden unter den Füßen weggezogen. Denn dort traf er auf den Pressebeauftragten des MSV, Sven Judith, der zu diesem Zeitpunkt Aufnahmen vom malerischen Hotel für das Zebra-TV machte, und den Anhänger nebenbei aufklärte. „Ich habe ihn angesprochen und mich mit ihm unterhalten“, erzählt Kraitzek. Und als er bei der Verabschiedung meinte, „na dann bis heute Abend beim Spiel“, hat Judith nur den Kopf geschüttelt. „Spiel? Das Match gegen Sofia ist am Donnerstag.“
Der Tiefschlag für den Metro-Angestellten, der am nächsten Tag um zehn Uhr seinen Dienst antreten musste. „Da haut es einem in die Goschen“, ärgert sich Kraitzek über seine Schusseligkeit. Denn die Partie wurde zwar anfangs auf Mittwoch datiert, ist aber bereits vor zehn Tagen verschoben worden. „Ich hatte aber so viel zu tun, dass ich nicht mehr im Internet nachgeschaut habe“, steht der Mitbegründer des Fan-Klubs „Stammtisch 88“ wie ein begossener Pudel in der Veldener Sonne. „2000 Kilometer um ein Training zu sehen? Das kann doch wohl nicht wahr sein“, ist der selbsternannte Hardcore-Fan von sich selbst enttäuscht. „Ich war schon MSV-Anhänger als ich noch flüssig war. Diese Fahrt wird als Meilenstein in meiner Vitrine untergebracht. Wenigstens habe ich genügend Fotos, denn das glaubt mir sonst niemand.“
Auch seine Frau Manuela, die er sofort per Handy informierte, meinte nur: „Bist du bekloppt.“ Denn schließlich hat die Fahrt nicht nur Nerven gekostet. Benzin. Vignette und die Mautgebühren belaufen sich auf rund 300 Euro. „Eigentlich wollte ich noch meine Tochter Kathrin mitnehmen, aber ihr war die Abfahrt zu früh“, ist Kraitzek erleichtert. Seit Freitag weilt er außerdem im Familienurlaub auf Mallorca. In Alcudia lässt er erst einmal die Seele baumeln, denn so eine Geschichte erlebt man ja nicht alle Tage.
Doch damit nicht genug. Als Kraitzek anstelle des Spiels die „normale“ Einheit verfolgte, feuerte er „Ivo“ Grlic bei den Liegestützen an. Der Routinier fand dies aber gar nicht witzig und meinte: „Komm’ lieber her und mach mit.“ Eine Aufforderung, die sich Kraitzek nicht zwei Mal sagen ließ. Er legte sich neben Grlic und pumpte. Ein Fehler. Denn als Peter Neururer den „Fremdkörper“ auf seinem „heiligen Rasen“ entdeckte, schimpfte er: „Ey du Vogel. Hau ab. Du hast dort nichts verloren.“
Nicht nur seine eigene Tollpatschigkeit, nein, jetzt auch noch ein Anpfiff des Trainers. Das reicht. „Ich war echt fertig“, hat Kraitzek nach den Übungen aber sofort den Weg zu Neururer gesucht und sich für seine Aktion entschuldigt. Der Fußballlehrer verzieh ihm, mahnte aber: „Für das nächste Mal weißt Du Bescheid.“
Mit Sicherheit, denn dann wird Kraitzek erst einmal die Termine prüfen, bevor er losfährt.