Marc Wilmots, wie war das damals in Mailand?
Die ganze Mannschaft ist in diesem Spiel 120 Minuten über ihre Grenzen gegangen. Wir waren trotz des 1:0 im Hinspiel der totale Außenseiter und schon am Ende der regulären Spielzeit völlig kaputt. Zum Glück hat Fresi dann in der 90. Minute die rote Karte bekommen. Als auch noch Maurizio Ganz in der Verlängerung den Ball zunächst an die Latte schoss und Jens im Elfmeterschießen gegen Ivan Zamorano parierte, wusste ich, dass alles perfekt für uns lief. Als ich beim Stand von 3:2 für uns zum Elfmeter antrat, hatte ich die leichteste Aufgabe von allen. Aaron Winter hatte auch verschossen und hinter mir wäre ja auch noch Johann de Kock gekommen. Ich spürte fast gar keinen Druck mehr und wollte uns nur noch in den Himmel schießen. Was Sie dann auch taten.
Was bedeutet Ihnen der Triumph in der Nachbetrachtung?
Bevor ich nach Schalke kam, habe ich so gut wie kein Bier getrunken. Aber hier haben wir jeden Erfolg gefeiert wie eine A-Jugend. In dieser Zeit hat sich ein unglaublicher mannschaftlicher Zusammenhalt ergeben, den ich so nie wieder erlebt habe. Wir haben so viel Spaß miteinander gehabt, die Mannschaft, die Verantwortlichen, die Fans. So etwas erlebst du nur einmal in deiner Karriere. Als ich vor der Feier am Montag auf das Vereinsgelände gefahren bin, bin ich erst mal in das Schalke-Museum gegangen. Mit 38 Jahren schon in einem Museum verewigt zu sein, ist ein komisches Gefühl. Aber es war ein Riesentriumph für uns alle.
Noch heute sind die Eurofighter mit Kampfschwein 'Willi' Kult auf Schalke. Gerade nach der in der vergangenen Woche verpassten Meisterschaft wurde wieder häufig der Querverweis auf die fehlende unbedingte Siegermentalität der heutigen Mannschaft gezogen. Zu Recht?
Ohne den UEFA Cup Sieg wäre alles, was danach hier auf Schalke geworden ist, so nicht möglich gewesen. Als ich 1996 aus Belgien nach Schalke kam, um meinen ersten Vertrag zu unterschreiben, lagen in der Geschäftsstelle noch nicht einmal Fliesen. Was hier in den letzten zehn Jahren entstanden ist, ist optimal. Leider vergessen das heute viele Menschen. Deshalb kann ich es nicht verstehen, dass man jetzt hier mit Platz zwei nicht mehr zufrieden sein kann. Ich weiß, dass die Fans seit 1958 auf die Meisterschaft warten. Aber wir müssen noch ein bisschen Geduld haben. Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten Jahren irgendwann den Titel holen.
Sie sagen immer noch wir, wenn Sie vom FC Schalke sprechen. Wann sehen wir Marc Wilmots nach dem Ausflug in die Politik auf der großen Fußballbühne wieder?
Vor einem Jahr wollte mich ja der 1.FC Kaiserslautern als Sportdirektor verpflichten. Ich wollte jedoch zunächst unbedingt meine Fußballlehrer-Lizenz erwerben. Deshalb habe ich abgesagt. Mittlerweile habe ich das Diplom. Aber ich habe keine Eile, genieße die Zeit mit meiner Familie. Es muss passen. Wenn jetzt der richtige Verein kommt, bin ich aber für Gespräche offen.