Sie bestreiten in Österreich und der Schweiz ihr fünftes großes Turnier, sind aber noch nie mit so viel Vorschusslorbeeren wie dieses Mal bedacht worden. Wie gehen sie damit um?
Sicherlich ist es besser, wenn man Lob bekommt als umgekehrt. Aber ich kann das sehr gut einschätzen und weiß, dass der nächste Schritt schnell wieder in die andere Richtung gehen kann. Ich bin derzeit in einer guten Form, muss aber umso mehr arbeiten, damit ich am Ende auch den Ansprüchen gerecht werde. Dieser Verantwortung bin ich mir bewusst. Ich bin erfahren genug, um zu wissen, dass alles ergebnisorientiert ist. Bei allem Vorgeplänkel zählt alleine, wie wir ab Sonntag spielen. Für mich persönlich ist aber wichtig, dass ich diesmal topfit in die EM gehen kann, nachdem ich vor den letzten Turnieren immer von Blessuren geplagt worden bin.
Ist der Eindruck richtig, dass sie aus Ihrer achtmonatigen Verletzungspause gestärkt hervorgegangen sind?
Ich habe in dieser langen Zeit unheimlich viel kämpfen müssen, gegen mich selbst und gegen die Verletzung. Wenn man immer an die Grenzen gehen muss, dann macht das stärker. Zudem war diese lange Pause im Nachhinein gut für meinen Körper, der mal richtig regenerieren konnte. Ich denke schon, das diese Verletzung ein Knackpunkt für mich war, der mich noch einen Schritt nach vorne gebracht hat.
Seit knapp vier Jahren sind Sie Kapitän, scheinen derzeit diese Rolle aber mehr denn je auszufüllen...
Es macht einfach Spaß zu sehen, wie die jungen Spieler mitmachen, wie sie sich auf die EM freuen und mit welcher Begeisterung sie für die Nationalmannschaft spielen. Zudem ist es toll, dass wir seit einigen Jahren wieder ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Fans haben. Meine Aufgabe als Kapitän ist auch, dass dieses positive Miteinander zwischen Mannschaft und Fans so bleibt. Es gab Zeiten, in denen das alles nicht so positiv war, was natürlich damit zusammenhing, dass unsere Leistungen sehr schwankend waren. Uns ist aber klar, dass wir unsere Überzeugungskraft in erster Linie über Leistung definieren müssen. Es ist weiterhin für mich eine Ehre, Kapitän dieser Mannschaft zu sein. Ich hoffe, dass ich das noch einige Zeit sein werde.
Bedeutet dies, dass Sie trotz Ihrer 31 Jahre noch die Teilnahme an der WM 2010 in Südafrika planen?
2010 ist auf jeden Fall für mich noch ein Ziel. Jetzt konzentriere ich mich aber zunächst mal auf die EM und dann kommen die nächsten Aufgaben.
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wann Sie Ihre Karriere beenden wollen?
Nein, es gibt bei mir noch keine konkrete Planung. Als ich so lange verletzt war, habe ich sicher mal einige Gedanken daran verschwendet, denn in dieser Zeit konnte man zwangsläufig mal vom Fußball abschalten. Wenn man aber wieder permanent im Spielbetrieb steckt, dann fehlt einem der Weitblick für weitere Aufgaben. Du musst immer das nächste Spiel gewinnen, da sind Langzeitplanungen kaum möglich.
Wird man Michael Ballack denn noch mal in der Bundesliga sehen?
Ich glaube nicht, ich habe ja lange genug in der Bundesliga gespielt. Ich kann mir schon vorstellen, dass ich meine Karriere in England beende. Sicherlich wäre es schön, wenn ich das dann bei einem absoluten Topteam wie Chelsea machen könnte.
Haben Sie mit Chelsea schon über eine Vertragsverlängerung gesprochen, und werden Sie in Sachen Trainersuche von ihrem Arbeitgeber auf dem Laufenden gehalten?
Nein, ich habe noch bis 2009 Vertrag und konzentriere mich jetzt nur auf die EM. Ich werde dann sicher nebenbei erfahren, wen Chelsea als neuen Trainer verpflichtet. Ein Klub mit so großen Ansprüchen, der jedes Jahr die Champions League gewinnen will, wird schon eine gute Wahl treffen. Da mache ich mir keine Sorgen.
Befürchten Sie, dass sie eines Tages als ewiger Zweiter in die Fußball-Geschichte eingehen, wenn es bei der EM nicht mit dem Titel klappt?
Das ist für mich gar kein Thema. Ich habe genügend Titel gewonnen. Sicherlich möchte man auch mal gerne einen spektakulären Erfolg feiern, aber das geht eben nicht auf Knopfdruck. Das sind die Unwägbarkeiten im Sport. Manchmal spielt man persönlich nicht so gut und gewinnt troztdem die Champions League. Das hat man nicht immer selbst in der Hand. In einer polnischen Zeitung sind Sie mit Pickelhaube abgebildet worden und hinter Ihnen steht der polnische Trainer Leo Beenhakker mit einem gezückten Schwert. Wie bewerten Sie vor dem Auftaktsspiel ihres Teams gegen Polen ein solches Säbelrasseln?
Eigentlich gar nicht. Das sind Dinge, die im Fußball leider dazugehören, obwohl so etwas für mich keine Normalität ist. Das sind aber Begleiterscheinungen, die unsere Vorbereitung auf dieses Spiel nicht beeinflussen werden.
Wie sicher sind Sie denn, dass Deutschland am Sonntag erstmals seit 1996 wieder ein EM-Spiel gewinnt?
Wir sind überzeugt davon, dass die Serie zu Ende geht. Wir müssen zudem mindestens zwei Spiele gewinnen, wenn wir unser erstes Ziel, das Viertelfinale, erreichen wollen. Aber gerade im ersten Spiel muss man immer den Nachweis erbringen, dass man in einer guten Verfassung ist. Dann kann man eine Dynamik entwickeln, eine Überzeugung aufbauen, die das Team durch das Turnier trägt. Zählt Deutschland für Sie zu den Favoriten bei der EM?
Es gibt nur wenige Mannschaften, die nicht mit dem Ziel in das Turnier gehen, den Titel zu gewinnen. Sie sind alle von sich überzeugt. Zehn, zwölf Teams haben das Ziel, den EM-Titel zu holen. Wir gehören dazu.