Aus gutem Grund möchte man eigentlich nicht von „Entlassung“ oder „Feuern“ schreiben. Zu groß ist das Bedauern, dass in der Praxis nicht zusammenpasste, was in der Theorie zusammengehörte.
Es ist ja verrückt, dass ein Trainer mit Zukunft nicht zu einem Team mit Zukunft passt. Von außen betrachtet, findet kein Beobachter Verständnis für diese mutige Personalmaßnahme. Denn Tuchel hat ja Platz drei in der Fußball-Bundesliga erreicht und den DFB-Pokal gewonnen. Die Feierlichkeiten seit Samstag waren ausschweifend, die Katerstimmung ist deshalb umso heftiger.
Die Verlockung auf Dortmunder Seite dürfte groß sein, die unpopuläre Maßnahme mit Insider-Informationen zu erklären und verständlich zu machen. Ein Menge Schmutzwäsche müsste man aufheben. Zum Beispiel über die Rolle von Marius Müller-Westernhagen, der denselben Berater wie Tuchel hat. Oder den Stimmungswechsel bei Abwehrspieler Matthias Ginter.
Aber was würde das bringen? Noch am Dienstag hat Tuchel unter @TTuchelofficial einen eigenen Twitter-Account angelegt und binnen kürzester Zeit eine Gefolgschaft von Followern in fünfstelliger Höhe versammelt. Beim BVB wissen sie: Bei erstbester Gelegenheit könnte der Ex-Trainer kontern, wenn ein falsches Wort aus Dortmund kommt. Also schweigen alle.
Vielleicht ist es auch besser so. Tuchel wird, mit oder ohne Pause, einen neuen Job im Fußballgeschäft annehmen und womöglich ein Umfeld vorfinden, das auf seinen Gestaltungswillen und seine Kommunikationsfähigkeit mehr Rücksicht nimmt. Bayer Leverkusen zum Beispiel. Die zwei Jahre beim BVB haben ihn, so oder so, reifen lassen. Er wird sich das nächste Mal anpassen.
Tuchel muss lernen, dass das gesprochene Wort nach außen dem entsprechen muss, was intern verabredet worden ist. Er wird akzeptieren müssen, dass zum Trainerjob mehr gehört als die Arbeit mit Fußballspielern — sondern auch eine vertrauensvolle Kooperation mit Vereinsverantwortlichen und eine respektvolle Öffentlichkeitsarbeit jenseits von Pressekonferenzen.
Gute Trainer zeichnet aus, dass die Mannschaft eine Balance in ihrem Spiel finden. Oder wie es der große argentinische Fußballer und Trainer Cesar Luis Menotti sagt: „Fußball enthält drei große Geheimnisse: die Täuschung, Raum und Zeit.“ Sehr gute Trainer setzen noch einen drauf und wirken über die Begrenzung des Rasenfläche hinaus. Tuchel wollte das. Und ist an sich selbst gescheitert. Nicht am BVB.
Borussia Dortmund hat den Anspruch untermauert, dass kein Trainer größer ist als der Verein. Nicht mal der, der einen Pott gewinnt. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke weiß um das Risiko, das mit dieser Tuchel-Demission verbunden ist. Seine nächste Trainerentscheidung muss sitzen. Sonst werden seine Kritiker lauter, als ihm lieb sein kann. Auch ohne Twitter-Account.