Dass sein Spieler Philipp Lahm einen eigenen Kopf hat und nicht zu den Ja-Sager beim FC Bayern gehört, musste Uli Hoeneß als Manager schon vor Jahren früh erfahren. In seiner eigenen Lokalzeitung SZ las der mächtige Bayern-Boss ein Lahm-Interview, das weder mit ihm noch mit der Presseabteilung abgestimmt war. Kernaussage in der Süddeutschen Zeitung: Die Ausrichtung beim FC Bayern ist schwankend, die Transferpolitik großer Mist.
Philipp Lahm traf seine Chefs ins Mark. Ihm war es fast gleichgültig. Er hatte größere Ziele: das Wohl seines Klubs im Allgemeinen und den Erfolg seiner Mannschaft im Besonderen. Da nahm er die Säuernis in der Chefetage spielend in Kauf. So war es auch diesmal: Als Sportdirektor wollte Lahm nicht dienen. Einfluss beim FC Bayern sieht er nur, wenn er beim Vorstand permanent am Tisch sitzt. Als sie ihm diese Beförderung verweigerten, hörten sie ein fröhliches „Servus“.
Der deutsche WM-Kapitän beendet seinen Arbeitsvertrag vorzeitig im Sommer und wird, wie er halb scherzend meinte, jetzt „Privatier“. Rente mit 33: Das hat einer, der als Kapitän seine Teams zum Gewinn der Champions League 2013 und der Weltmeisterschaft 2014 geführt hat, sicherlich verdient. Ein Verlust für den deutschen Fußball ist es allemal. Alle im Profifußball tätigen Leute wissen: Lahm wird in die Familie zurückkehren. Aber warum diese Pause vorher?
Weil die Pause klug ist. Als Primus Inter Pares hätte er sich in seiner Bayern-Mannschaft bewegt, als Gleicher unter Gleichen. Machtwort, Zurechtstutzen, Donnerwetter: Die einstigen Mitspieler hätten es grummelnd, aber nicht überzeugt zur Kenntnis genommen. Dem Direktor Lahm hätte noch der Kabinenschweiß umgeben; Aufbau von Distanz braucht Zeit. Der Rollentausch funktioniert im sensiblen Gebilde von Fußballmillionären nicht über Nacht.
Nach seiner Pause wird Lahm der Mannschaft nicht als ehemaliger Mitspieler gegenüber treten, sondern als einer von vier deutschen WM-Kapitänen: bodenständig wie Fritz Walter, bayern-affin wie Franz Beckenbauer und prägend wie Lothar Matthäus. Mit dieser Aura kann er sein Wissen aus über 500 Bayern-Spielen zur Geltung bringen. Sein Wort wird Gewicht haben. Und darum ist es genauso klug vom FC Bayern, jetzt nicht eingeschnappt zu sein.
Ausdrücklich sagt Uli Hoeneß im Gespräch mit uns, dass für Philipp Lahm „die Türe beim FC Bayern offen“ bleibt. Die Irritationen um den Zeitpunkt der Veröffentlichung nennt er „eine Personalie“. Genauso fest ist seine Meinung aber auch dazu, dass Lahm nicht als Vorstand anfangen kann, sondern zunächst allenfalls als Sportdirektor: „Er hat keine Berufserfahrung.“ Es ist, siehe oben, ein Unterschied, ob man in kurzen oder langen Hosen im Verein arbeitet.
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Philipp Lahms Zukunft kann nur beim FC Bayern liegen. Die Insider wissen: Eine Pendelei zwischen Tegernsee und Frankfurt/Main wird sich Lahm nicht antun; wegen des Geldes muss er nicht mehr arbeiten. Zwölf Stunden Arbeit, sieben Tage die Woche: Warum sollte er das tun? Seine Rolle beim FC Bayern wird weniger Stunden auffressen — bei vollem Lohnausgleich. Er beginnt nicht dieses oder nächstes Jahr. Aber ganz sicher irgendwann. Dafür wird Hoeneß sorgen.