Bei der Generalprobe in Engelberg weckte Neumayer mit dem völlig überraschenden Triumph in der Qualifikation Hoffnungen auf einen ähnlichen Höhenflug wie vor einem Jahr. Damals hatte er beim Neujahrsspringen von Garmisch-Partenkirchen wie aus dem Nichts als Dritter den ersten deutschen Tournee-Podestplatz seit drei Jahren geholt und war am Ende sensationell auf Position drei in der Gesamtwertung gelandet. "Ich bin auf den dritten Platz sehr stolz, den kann mir keiner mehr nehmen", erzählt Neumayer heute: "Das tat so gut fürs Herz, weil es mein erster Erfolg als Einzelsportler war. Da habe ich gemerkt, dass sich die ganze Schufterei und der Verzicht aufs Essen gelohnt hat." Das Problem war nur, dass es der einzige deutsche Erfolg im vergangenen Winter war. In der Öffentlichkeit wurde stattdessen viel mehr über den umstrittenen Bundestrainer Peter Rohwein diskutiert, der dann am Saisonende entlassen wurde. "Vor allem der Michi hat damals eine gute Tournee gesprungen, aber keiner hat's gemerkt", sagt der neue Chefcoach Werner Schuster. Unter dem Österreicher sind das deutsche Team und vor allem Martin Schmitt wieder im Aufwind. "Wir haben das Skispringen nicht neu erfunden, aber es ist sehr positiv wie der Trainer an der Schanze mit uns umgeht. Früher haben wir oft gehört wie schlecht wir sind", meint Neumayer: "Dabei hat er es mit mir nicht einfach, weil ich sehr grantig und ehrgeizig bin. Ich lasse mich von schlechten Sprüngen schnell runterziehen." Deshalb war Michael Neumayer sauer auf sich selbst, dass es nach guten Leistungen im Sommer zu Saisonbeginn überhaupt nicht passte. Dann probierte der wegen seines Körperbaus als "Sumoringer" (Neumayer) geltende Skisprung-Autodidakt neues Material aus - und flog plötzlich wieder vorn mit. "Flugtechnisch bin ich nicht so stark, aber bei der Sprungkraft gehöre ich zu den Besten der Welt. Und diese Stärken habe ich jetzt wiederentdeckt", sagt Neumayer. Über Weihnachten genehmigte er sich als "Flughilfe" daheim bei der Familie noch ein Stückchen von der Weihnachtsgans und geht jetzt frohen Mutes an die Arbeit bei der Tournee.
Dass er dabei im Schatten der Favoriten steht, stört Neumayer nicht: "Dass Martin Schmitt wieder vorne mitspringt, ist das Beste für das deutsche Skispringen. Dann können wir im Hintergrund ruhig arbeiten."