„Die Ergebnisse waren ja schon fast beängstigend. So steil kann es eigentlich gar nicht weiter bergauf gehen“, blickt Bernhard Gemlau auf das bisher Erreichte zurück. Der 1. Vorsitzende ist vor allem stolz darauf, dass „nicht nur die mit Henning gewechselten vier Schwimmer aus Wuppertal für Glanzlichter sorgten, sondern auch langjährige Vereinsmitglieder.“
Für die größte Überraschung sorgte wohl Caroline Ruhnau, die bei den Deutschen Kurzbahnmeisterschaften im Essener Hauptbad über 100 Meter Brust zum Titel schwamm. „Caro hat bestimmt selbst nicht mehr damit gerechnet, einmal Deutsche Meisterin zu werden“, schmunzelt Gemlau, der sich auch über den ersten Mannschaftstitel der Frauen sowie Aufstiege der Männer und der beiden zweiten Mannschaften freuen durfte. Daniela Samulski, mit Lambertz aus dem Bergischen gekommen, unterstrich mit ihren drei DM-Titeln und neuem nationalen Rekord über 50 Meter Rücken ihre Vorreiterrolle bei den Essenern.
Eine erste Bilanz, die besser nicht hätte ausfallen können. Allein der Verdienst des neuen Trainers? „Bestimmt kann man das nicht allein schaffen, wir haben ein sehr gutes Team“, betont Gemlau, der aber auch weiß: „Mit Henning kam der Spaß zurück. Er ist ein junger, erfahrener Coach, der zwar konsequent seinen Weg verfolgt, aber auch zu Kompromissen bereit ist. Das Wichtigste ist, dass er als Chef anerkannt ist. Und zwar im gesamten Verein.“
Dass dies in der Vergangenheit nicht immer der Fall war, will der 65-Jährige nicht verschweigen: „Unsere letzten Cheftrainer waren nicht bei allen Übungsleitern und Aktiven angesehen, strebten dies auch gar nicht an. Das überträgt sich natürlich auf die Stimmung der Mannschaft.“
Bestes Beispiel dafür ist Dominik Keil. Der ehemalige Jugendeuropameister war mit der Situation in Essen unzufrieden, wechselte nach Dortmund. Gemlau: „Dort entwickelte er sich nicht weiter, beendete seine Karriere im Sommer.“ Um sich fit zu halten, war er ständiger Gast bei seinem Ex-Klub und „leckte so wieder Blut. Wir haben ihm gesagt, dass er das wahrscheinlich größte Talent ist, das die SGE jemals gesehen hat.“ Ergebnis: Nach kurzem, aber intensiven Training schwamm er bei der Kurzbahn-DM über 50 Meter Rücken zu Bronze - mit neuer persönlicher Bestzeit (24,19 Sekunden). Gemlau: „Dass er zurück gekommen ist, haben wir allein Henning zu verdanken.“
Anfragen liegen mittlerweile aus ganz Deutschland vor, aber jeder Neuzugang muss wohl überlegt sein. Der 1. Vorsitzende erklärt: „Die Kapazität des Trainers darf nicht erschöpft werden, er darf nicht nur seinen Namen hergeben.“ Dennoch wird sich das Gesicht der Mannschaft im kommenden Jahr noch verändern: „Einige Verstärkungen werden hinzukommen, wir werden an Qualität gewinnen.“
An Prestige hat die Startgemeinschaft schon durch die Ernennung zum Bundesstützpunkt gewonnen. Zukünftig ist Essen der zentrale Anlaufpunkt für alle Kadersschwimmer in Nordrhein-Westfalen. Neben finanzieller Unterstützung seitens des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) bedeutet das für die SGE auch neue Verantwortung. „Der Erfolg der Region wird künftig am Standort Essen festgemacht. Außerdem soll jeder Auswahlathlet die Möglichkeit haben, in unserem Leistungszentrum in Rüttenscheid zu trainieren.“ Für den Verein auch eine organisatorische Aufgabe, die „wir aber gerne erfüllen werden.“

Trainer Henning Lambertz und Daniela Samulski tragen zum Erfolg der SGE bei (Foto: Landsiedel).
Für jeden Stützpunkt, neben Essen sind das noch Hamburg, Berlin, Halle/Saale, Frankfurt/Main und Heidelberg, ist ein Trainer hauptverantwortlich. Dass sich Lambertz für diese Position beworben hat, liegt auf der Hand. Eine Entscheidung wird zeitnah im Januar erfolgen. Bezahlt wird der Coach vom Deutschen Schwimmverband, für die SGE eine wichtige Stütze. „Wenn Hennings Bewerbung erfolgreich ist, und er hat sicher sehr gute Karten, dann wird er vermutlich 100 Tage im Jahr unterwegs sein. Lehrgänge und internationale Wettkämpfe gehören dann zu seinem Pflichtprogramm.“
Für die Schützlinge in den eigenen Reihen sicherlich ein Vorteil, für die daheimgebliebenen Schwimmer muss aber adäquater Ersatz vor Ort sein. Gemlau: „Wir müssen uns professionell aufstellen und für alle Aktiven beste Trainingsbedingungen ermöglichen.“
Ein erster Schritt war die Renovierung des Rüttenscheider Leistungszentrums, ein zweiter wäre ein Ersatz für das schließende Hauptbad an der Steeler Straße. Im Herbst 2009 finden dort zwar zum fünften Mal in Folge die Kurzbahn-DM statt, 2010 ist Wuppertal Austragungsort.
„Mir blutet das Herz, wenn ich an die Schließung denke, aber da muss man sich den finanziellen Fesseln beugen“, hofft Gemlau, der seit der Gründung 1987 im SGE-Vorstand sitzt, auf eine Zukunft für die Veranstaltung. „Die Stadt hat ja auch Interesse daran, deshalb muss sich was tun. Wettkämpfe mit großem Medien- und Zuschauerauflauf sind im Leistungszentrum nicht möglich.“
Was die sportliche Zukunft angeht, hat der gebürtige Essener feste Ziele im Blick: „Wir wollen uns stabilisieren. Auf der 'Bahn der Wahrheit', wie die 50 Meter genannt werden, wollen wir bei der DM einige Titel einfahren und außerdem eine Handvoll Schwimmer zur Weltmeisterschaft nach Rom schicken.“
Wenn es nach Gemlau geht, dann übrigens im selbst gewählten Schwimmanzug. „Die Situation war zuletzt unerträglich. Es muss eine freie Wahl für alle Starter geben. Außerdem brauchen wir eine Reglementierung, denn was einige Anzüge für Vorteile bieten, verzerrt den Wettbewerb.“
Über das Potenzial seiner Sportler macht sich Gemlau keine Gedanken: „Wir sind gut aufgestellt und seit dem Wechsel an der Trainerspitze auch wieder mental für den Erfolg bereit.“