Steffi Nerius, haben Sie Ihre Nominierungen zur NRW-Sportlerin eigentlich noch alle im Kopf? Ich glaube es müssten jetzt insgesamt sechs sein, aber genau weiß ich das nicht. Nach meiner Silbermedaille von Athen 2004 habe ich zahlreiche Leute motiviert, damit sie für mich abstimmen, aber es hat dennoch nicht mit dem Sieg geklappt, ich wurde Zweite.
Wie lautet Ihr Saisonfazit? Anfang des Jahres war ich sehr gut drauf, dachte, es könnte die beste Saison überhaupt werden. Dann haben mich seit April immer wieder Verletzungen zurück geworfen. Probleme im Ellenbogen, Knie oder der Ferse haben mich stark behindert, dennoch konnte ich das Beste aus dieser Situation herausholen. Nämlich die WM-Bronzemedaille in Osaka. Mit welchen Erwartungen sind Sie in Japan an den Start gegangen?
Gerne hätte ich 65 oder 66 Meter geworfen, dann sind es 64,42 Meter geworden. Zwar bin ich über die Medaille sehr glücklich, aber ich wäre auch mit einer neuen Bestleistung und dem fünften Rang zufrieden gewesen. Aber ich habe das Beste gezeigt, was an diesem Tag ging. Seit sechs Jahren stehen Sie regelmäßig auf dem Podium, diese Serie soll auch in Peking halten, oder? Natürlich will ich beim Saisonhöhepunkt wieder unter den ersten drei Plätzen landen. Ich fahre nicht dorthin, um im Finale dabei zu sein.
Ist die Farbe der Plakette dabei egal?
Eigentlich schon, aber mein Traum ist ganz klar der Olympia-Sieg. Ich bin aber auch realistisch genug, um zu sehen, dass man dafür 68 oder 69 Meter werfen muss. Das habe ich auch drauf, aber wenn ich meine Bestleistung abrufe und die anderen einfach besser sind, ist das ebenfalls okay.
Welche Gefühle kommen bei Ihnen auf, wenn Sie an die Olympischen Spiele denken?
Das ist das Schönste, was man als Sportler erleben kann. Ich bin jetzt nicht mehr in der Situation, wo dabei sein alles ist, aber die Erfahrung ist immer noch einzigartig. Ich freue mich schon auf das Dorf und hoffe, dass ich mir vor Ort einiges ansehen kann. Ich reise auch zehn Tage vor meinem Wettkampf an. Bei Ihrem ersten Auftritt 1996 in Atlanta waren Sie noch ziemlich nervös!
Ich war überwältigt und habe mich vom ganzen Drumherum total ablenken lassen, so dass ich es nicht ins Finale geschafft habe. Richtig ärgerlich war, dass für die Siegerin 67 Meter reichten und ich zwei Wochen später auf einem Wettkampf 69 geworfen habe. Aber zu diesem Zeitpunkt war das alles noch zu viel für mich.
Das hat sich geändert, doch bekannt sind Sie nicht nur wegen Ihrer Erfolge, sondern auch wegen Ihrer Stirnbänder mit den Grußbotschaften. Wie ist es dazu gekommen?
Erst einmal ganz einfach, weil mir die Haare ins Gesicht fielen und mich das störte. Dann habe ich mich beim ersten Wettkampf mit Stirnband gleich verbessert und so wurde es zum Talisman. Meine Freundin hat mir dann erstmals in Paris einen Spruch auf französisch drauf gedruckt. Die Idee mit den landestypischen Texten und der Beziehung zum Publikum gefällt mir.
Wie sind die Reaktionen?
Das Publikum kann die Texte gar nicht immer gut sehen, aber bei den Kampfrichtern kommen die Stirnbänder super an und das ist ja auch positiv, wenn das Verhältnis zu den Richtern unverkrampft und freundlich ist.
Wenn Sie nicht trainieren, dann arbeiten Sie im Verein im Bereich Behindertensport. Beschreiben Sie ihre Tätigkeit!
Ich bilde den Nachwuchs aus und arbeite mit verschiedenen Gruppen. Die jüngeren Talente bekommen Grundlagentraining, während das Ziel bei den Älteren die Teilnahme an den Paralympics ist. So wie es aussieht, sind drei Werfer aus meiner Gruppe im nächsten Jahr mit dabei. Es ist wirklich toll für mich, auch einmal auf der anderen Seite zu stehen, denn als Trainerin predige ich hin und wieder einiges, was mir selber in der täglichen Arbeit von Nutzen ist.
Angefangen haben Sie als Volleyballerin, wurden dann aber als zu klein eingestuft. Mit dem Speerwurf haben Sie große Erfolge gefeiert, machen Sie doch einmal Werbung für Ihren Sport! Zunächst muss man schon sehr großen Spaß am Werfen haben, sonst ist die Umsetzung der Technik sehr schwer. Mir gefällt einfach die Ästhetik dieses Sports. Manchmal würde ich gerne einen Wurf von der Tribüne aus verfolgen, wenn der Speer fast 70 Meter weit durch die Luft fliegt.