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Erneute Niederlage am Grünen Tisch

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RWE: Erneute Niederlage am Grünen Tisch
Foto: Thorsten Tillmann
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Keine Hilfe am Grünen Tisch: Rot-Weiss Essen hat am Donnerstag eine Niederlage vor dem Verbandsgericht erlitten. Münster behält die drei Punkte.

Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen hat erneut eine Niederlage am Grünen Tisch hinnehmen müssen. Der Einspruch der Essener gegen die Entscheidung des Sportgerichtes des Westdeutschen Fußballverbandes (WDFV) wurde am Donnerstagabend vor dem Verbandsgericht in der Duisburger Sportschule Wedau abgeschmettert. Nach dreistündiger Verhandlung und anschließender Beratung wurde um 21:34 Uhr das Urteil gesprochen: Die drei Punkte bleiben auf dem Konto von Preußen Münster. Eine erwartbare, aber sehr schmerzhafte Niederlage für RWE.

Denn für das sportliche Geschehen in der Regionalliga West hatte die Verhandlung eine enorme Bedeutung. Preußen Münster und Rot-Weiss Essen liefern sich in der vierten Liga ein Herzschlagfinale. Vier Spieltage vor dem Saisonende trennen die beiden Traditionsvereine nur zwei Punkte. Das ist der Entscheidung am Grünen Tisch geschuldet. Am 4. März wurde das direkte Duell zwischen RWE und Preußen Münster vom Sportgericht des Westdeutschen Fußballverbandes (WDFV) mit 2:0 für die Preußen gewertet, nachdem das Spiel am 20. Februar im Stadion an der Hafenstraße beim Stand von 1:1 nach rund 75 Minuten aufgrund eines Böllerwurfs abgebrochen worden war.

Rot-Weiss Essen - Preußen Münster: Fall wird neu aufgerollt

Zwei Spieler von Preußen Münster, Marvin Thiel und Jannik Borgmann (beide Knalltrauma), wurden von einem Böllerwurf aus der RWE-Fankurve verletzt und konnten die Partie nicht mehr fortsetzen. Der Tatverdächtige, ein 29-jähriger Familienvater aus Marl, wurde wenige Tage später festgenommen.

Das Urteil des Sportgerichts hatte Rot-Weiss Essen nicht akzeptiert. Die RWE-Verantwortlichen legten Einspruch ein. Geholfen hat es nicht.

Zur Berufungsverhandlung am Donnerstagabend in der Sportschule Wedau saßen sich Preußen Münster und Rot-Weiss Essen ab 18 Uhr erneut gegenüber. RWE wurde von seinem Anwalt Dr. Thomas Hermes, dem Vorsitzenden Marcus Uhlig und Sportdirektor Jörn Nowak vertreten. Preußen Münster war mit Geschäftsführer Bernhard Niewöhner, Teammanager Harald Menzel und Sportdirektor Peter Niemeyer vor Ort.

Der Fall wurde im Sitzungssaal 3 der Sportschule Wedau in Duisburg neu aufgerollt. Schnell war klar, dass ein langer und nervenaufreibender Abend werden würde. „Wir legen Wert auf eine neue Beweisaufnahme“, sagte RWE-Anwalt Dr. Thomas Hermes zu Beginn. Sein Kollege in Diensten von Preußen Münster, Simeon Scheuermann, reagierte mit Unverständnis auf diesen Einwand. „Dazu wäre ein neue Beweislage vonnöten. Die ist mir nicht bekannt.“

Rot-Weiss Essen bezieht sich auf Lippenleser

RWE erhielt vom Verbandsgericht tatsächlich eine neue Chance. Beide Seiten kamen zu Wort, die Zeugen wurden erneut gehört und befragt. RWE-Anwalt Hermes überraschte mit einer Information zum Start der Verhandlung und einem neuen vermeintlichen Beweis. Ein Lippenleser hätte kurz nach der Spielunterbrechung durch den Böllerwurf ein Gespräch auf dem Rasen mit Schiedsrichter Christian Scheper und dem Trainerteam von Preußen Münster bemerkt, behauptete der renommierte Essener Anwalt. Demnach habe Münster einen Abbruch des Spiels gefordert. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht final geklärt, dass die beiden Preußen-Spieler verletzt wurden. Sportrichter Helmut Hinz kritisierte das Vorgehen des Essener Anwaltes. „Es wäre schön gewesen, dies vor der Sitzung zu erfahren.“

Nachdem klar war, dass die beiden Spieler nicht mehr einsatzfähig waren, war für mich und meine Assistenten unausweichlich, dass das Spiel abgebrochen wird.

Christian Scheper, Schiedsrichter der Partie

Die Strategie aus RWE-Sicht war eindeutig. Das Gericht sollte davon überzeugt werden, dass eine Spielfortsetzung möglich gewesen wäre, Preußen Münster dies jedoch frühzeitig abgelehnt hätte. Schiedsrichter Christian Scheper, der zusammen mit seinen Assistenten Dominik Mynarek und Jan Lübberstedt erschienen war, stützte diese These nicht: „Ich habe nach dem Knall darauf hingewiesen, dass die beiden Spieler verletzt sind und eine Unterbrechung angeordnet. Nachdem klar war, dass die beiden Spieler nicht mehr einsatzfähig waren, war für mich und meine Assistenten unausweichlich, dass das Spiel abgebrochen wird. Das haben wir innerhalb von 30 Sekunden entschieden.“ Die Schilderung des vermeintlichen Lippenlesers könne er nicht bestätigen.   Einen Einspruch von Rot-Weiss Essen gegen die Entscheidung, das Spiel abzubrechen, habe Schiedsrichter Scheper nicht wahrgenommen. Auf die Nachfrage von RWE-Sportdirektor Jörn Nowak, ob das Spiel mit Zustimmung von Preußen Münster fortgesetzt worden wäre, sagte Scheper jedoch: „Möglicherweise ja.“

Wollen Sie mit Ihren Fragen suggerieren, dass die Verletzungen der Spieler infrage zu stellen sind?

Preußen-Anwalt Scheuermann

Schiedsrichter-Assistent Dominik Mynarek kam ebenfalls zu Wort. Die Lautstärke der Detonation habe ihn schockiert und Erinnerungen an den terroristischen Anschlag im Jahr 2015 beim Länderspiel zwischen Frankreich und Deutschland geweckt, als rund um das Stadion in Paris Bomben gezündet wurden. „Diese Bilder kamen in mir hoch, als ich diesen Knall hörte“, sagte er.

RWE gegen Münster: Vorwürfe von Preußen-Anwalt

An dieser Stelle wurde es hitzig. Preußen-Anwalt Scheuermann erhob nach einigen Nachfragen der Essener Vorwürfe gegen die RWE-Seite und wurde patzig. „Wollen Sie mit Ihren Fragen suggerieren, dass die Verletzungen der Spieler infrage zu stellen sind?“ Münsters Sportchef Peter Niemeyer stimmte seinem Anwalt kopfnickend zu. Dem widersprach RWE-Boss Uhlig energisch. „Ich finde es befremdlich, dass Sie so etwas behaupten. Wir haben die Verletzungen schon bei der ersten Verhandlung als auch in mehreren Gesprächen mit Medien nie angezweifelt.“

Der RWE-Vorsitzende bezeichnete einen Spielabbruch in der Sitzung als „Ultima Ratio“. Dieser letztmögliche Schritt sei aus Sicht der Schiedsrichter alternativlos gewesen. Für den zweiten Schiedsrichter-Assistenten Jan Lübberstedt sei mit der Verletzung der beiden Preußen-Spieler „eine rote Linie überschritten“ worden. „Dann sollte ein Spiel auch abgebrochen werden.“ RWE-Chef Marcus Uhlig bezeichnete diese Schilderung später in seinem Schluss-Plädoyer als Widerspruch zu den Aussagen von Schiedsrichter Scheper, der eingeräumt hatte, dass er die Partie mit Zustimmung beider Vereine fortgesetzt hätte.

Preußen-Spieler Jannik Borgmann war ebenfalls als Zeuge geladen und sprach über seine Verletzung, die er durch den Böllerwurf erlitten hatte: „Ich hörte auf einem Ohr nichts mehr, auf dem anderen hatte ich ein Piepen. Es wurde später ein Knalltrauma diagnostiziert. In den Tagen darauf hatte ich mit Schwindel und Orientierungslosigkeit zu kämpfen, auch bei kleinsten Anstrengungen. Erst nach fünf oder sechs Tagen waren die Beschwerden weg.“ Vom Verein Rot-Weiss Essen hätte sich in der Folge niemand bei ihm gemeldet, um sich nach seinem Gesundheitszustand zu erkundigen oder sich zu entschuldigen. Sowohl die Essener als auch die Preußen-Verantwortlichen bestätigten jedoch im Anschluss an die Befragung, dass RWE Genesungswünsche über Preußen Münster ausrichten ließ. In der ersten Verhandlungspause ging RWE-Sportchef Jörn Nowak zu Borgmann, um den Fall aus seiner Sicht zu schildern. Böses Blut war nicht zu spüren.

RWE-Boss Uhlig: Geldstrafe nicht verhältnismäßig

Nach der Zeugenbefragung hielt RWE-Boss Marcus Uhlig ein emotionales Plädoyer und wies vor allem auf den enormen finanziellen Schaden hin, der durch das erste Urteil des Sportgerichts entstanden ist. Neben einer Blocksperre gab es eine Geldstrafe in Höhe von 15.000 Euro. Uhlig rechnete vor, dass sich die Strafe so auf knapp 100.000 Euro belaufen würde. „Das sind Bundesliga-Verhältnisse und aus unserer Sicht ist das nicht angemessen“, betonte Uhlig. Das Urteil müsse keine präventive Wirkung entfachen. „Es war die Tat eines Einzelnen. Unsere gesamte Fanszene hat diesen Böllerwurf verurteilt. Die Fans haben dabei geholfen, den Täter zu ermitteln und viel Zivilcourage bewiesen.“

RWE-Sportdirektor Jörn Nowak appellierte an das Gericht, unter Berücksichtigung der engen Tabellensituation eine Entscheidung im Sinne des Sports zu treffen. "Die Tat eines Einzelnen sollte diesen sportlichen Wettbewerb nicht beeinflussen. Wir haben als Verein ein ganzes Jahr hart dafür gearbeitet, um in eine gute Position zu kommen. Die Auswirkungen wären enorm und könnten am Saisonende sogar zu Kündigungen führen. Diese Macht sollte ein einzelner Täter nicht haben."

Rot-Weiss Essen ist auf Schützenhilfe angewiesen

Damit konnten Nowak und Uhlig das Verbandsgericht jedoch nicht restlos überzeugen. Es blieb bei einer gefühlt klaren Niederlage vor Gericht, die RWE in der Endabrechung den Aufstieg in die 3. Liga kosten könnte. Denn im Saisonfinale ist der Klub von der Hafenstraße auf einen Patzer der Preußen angewiesen.

Mit diesem Urteil werden sich die Essener nun anfreunden müssen. RWE hat die letzte Instanz erreicht, vor das DFB-Sportgericht könnten die Rot-Weissen nicht ziehen. Die Regionalliga ist nämlich nicht dem DFB, sondern dem WDFV untergeordnet.


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