Die 330 geladenen Gäste auf der 110-Jahr-Feier des Regionalligisten Rot-Weiss Essen im Essener GOP-Varieté-Theater sollten nicht enttäuscht werden. Rehhagel war in seinem Metier und sprach in seiner unnachahmlichen Art Klartext: „Soll ich ehrlich sein? Tradition schießt keine Tore. Wir müssen einen Sponsor finden, der das alles aus der Portokasse bezahlt.“
Wenn ich sehe, dass bei den Oberhausenern der Name eines Unternehmens aus unserer Stadt auf der Brust prangt und dieser Konzern bei uns aussteigt, dann habe ich Tränen in den Augen
Michael Welling
Und Rehhagel hatte auch die Lösung parat. „Am besten wäre der Scheich von Dubai als Geldgeber.“ Sein Zusatz: „Wir brauchen uns doch nichts vorzumachen. Die Zeiten haben sich geändert. Meine Ex-Klubs Bremen und Kaiserslautern haben auch ihre Schwierigkeiten. Oben stehen die Vereine, die Geld haben. Wie die Bayern, Dortmund oder RB Leipzig. Die ganzen Traditionsvereine stehen unten in der Bundesliga-Tabelle.“ Die Botschaft: Geld schießt eben doch Tore. Der 78-Jährige, der von 1960 bis 1963 für den Verein spielte und mittlerweile Ehrenmitglied bei RWE ist, will Essen noch einmal im Profifußball erleben.
Um dies zu realisieren, benötigt Rot-Weiss frisches Kapital. Noch vor wenigen Wochen teilte ein bekanntes Essener Energie-Unternehmen mit, dass der Sponsorenvertrag am Saisonende nicht verlängert wird. Doch ein Scheich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten als Geldgeber an der Hafenstraße? Michael Welling, Vorsitzender des Viertligisten, ist skeptisch: „Das war doch nur eine überspitzte Pointierung von Herrn Rehhagel. Er wollte nur sagen, dass Geld Tore schießt. In England gibt es eine Studie, die besagt, dass das Gehaltsvolumen 88 bis 92 Prozent den Tabellenplatz im Fußball bestimmt.“
Viel mehr als einen Scheich oder einen jordanischen Geschäftsmann wie Hasan Ismaik bei 1860 München würde Welling lieber die Essener Großunternehmen begeistern. „Ich war zuletzt beim U19-Derby zwischen Rot-Weiß Oberhausen und RWE. Wenn ich sehe, dass bei den Oberhausenern der Name eines Unternehmens aus unserer Stadt auf der Brust prangt und dieser Konzern bei uns aussteigt, dann habe ich Tränen in den Augen“, erzählt der RWE-Präsident.
Vor wenigen Wochen sagte er dieser Zeitung, dass RWE einen potenziellen Investor an der Hand habe, der Interesse an einem Einstieg an der Hafenstraße bekundete. Vermutlich nicht aus Dubai. Doch das ist wohl auch Rehhagel egal. Denn Geld aus der ganzen Welt schießt Tore.