"Fußballzauber RWE", schallte nach dem 2:0 (0:0)-Erfolg der Essener über den SV Elversberg von der Ostkurve durch den Torso des Georg-Melches-Stadions. Nur eine Stunde zuvor wäre dieser "Chant" purer Zynismus gewesen. Dass die Lobeshymne auf den Aufsteiger durchaus ernsthaften Charakter besaß, lag schlichtweg daran, dass Rot-Weiss Essen zwei Hälften zeigte, wie sie kontrastreicher kaum hätten sein können. Unter dem Eindruck eines bärenstarken Auftritts nach der Pause geriet der zähe Start einfach in Vergessenheit.
Ein wenig Erinnerung bleibt jedoch. An ein zerfahrenes Spiel, begünstigt durch einen pingeligen Schiedsrichter Dominik Schaal, der es scheinbar gnadenlos auf den Spielfluss abgesehen hatte. Zahllose Unterbrechungen und Freistöße prägten das Spielgeschehen. Dank einer zumindest defensiv blitzsauberen Leistung der Hausherren, kamen die Elversberger dennoch praktisch zu keiner echten Torchance. Dabei hatte RWE-Coach Waldemar Wrobel eindringlich vor den hoch aufgeschossenen Saarländern gewarnt. "Es ist aber nicht nur eine Frage der Größe. Es geht um die Einstellung, mit der ich in die Zweikämpfe gehe", monierte SVE-Trainer Günter Erhard.
Dennoch konnte Wrobel mit der Vorstellung seiner Mannschaft nicht zufrieden sein. Denn die Torgefahr ging seinem Team ebenfalls völlig ab. Viel zu sehr hatte RWE die Initiative den Gästen überlassen. Das Vorhaben, die Leistung der zweiten Hälfte beim 1:2 in Köln auf 90 Minuten auszudehnen, war früh gescheitert. Das hatte der 41-Jährige auch nach dem Abpfiff noch nicht ganz vergessen: "Es ist ärgerlich, dass wir wieder 45 Minuten geparkt haben."
Irgendwo hatte Wrobel aber den Schlüssel herausgekramt, mit dem sein Team nach der Pause den Turbo zündete und die bis dahin verlustpunktfreien Saarländer rücksichtslos überrannte. Was dort geschehen war? "Wir haben eine sehr gute Analyse durchgeführt", sagte Torwart Dennis Lamczyk. Wrobel sprach von einer "deutlichen Ansprache der Defizite" und davon, dass "es darum ging, uns das Leben nicht selbst schwer zu machen und dass wir durch Ballbesitz auch zu unseren Chancen kommen würden."
Wie auf Ansage rollte der Ball plötzlich in den eigenen Reihen. Eine noch etwas ungestüme Kombination sorgte bereits für genug Verwirrung im gegnerischen Strafraum, damit der Ball für einen Augenblick unbewacht herumlag und Holger Lemke das 1:0 besorgte (48.). Nun konnte sich niemand mehr der Dynamik dieser Partie entziehen. Die Gäste, die bereits nach zehn Minuten den ersten Wechsel vollziehen mussten, setzten mit einem Doppelwechsel früh alles auf eine Karte. Statt aber endlich mehr Durchschlagskraft zu entwickeln, kombinierte und rannte RWE, variierte das Tempo und schaffte sich so Räume, um das Spielfeld mit langen Bällen schnell zu überbrücken. Durch die zahlreichen schnellen Vorstöße hätte das Ergebnis sogar noch deutlicher ausfallen können bis müssen.
Am Ende bedeutete aber nicht einer der sehenswerten Spielzüge, sondern ein Akt roher Gewalt die Entscheidung. Benedikt Koep legte aus knapp 30 Metern seine ganze Wucht in einen platzierten Flachschuss. Der K.o. für Elversberg und der Auftakt einer Party, als wäre es Freitagabend und Flutlicht statt Samstagnachmittag und Sonnenschein. Diese Essener Mannschaft, sie hat nicht nur ihren Fans enorm viel Freude bereitet, sondern auch dem Gegner das Fürchten gelehrt. "Vor diesem Publikum ist es schwer, das Spiel noch einmal zu drehen. Hier werden sich noch andere Mannschaften schwer tun", prophezeite Erhard.
Tatsächlich aber zeigte der zweite Durchgang in jedem Fall, dass RWE auf einem sehr guten Weg ist, sich Stück für Stück in der Regionalliga zu etablieren.