In der Landesliga, ganz früher die zweit- und später die dritthöchste Spielklasse, bewegten sich die Jungs vom Kaiserpark zwar nicht ganz auf Augenhöhe mit dem großen Nachbarn RWE, aber zum Beispiel mit den damals einst ebenfalls zu den besseren Adressen im Amateurfußball gehörenden Sportfreunden aus Katernberg.
Am vorigen Sonntag treffen die beiden Traditionsvereine wieder aufeinander. Ihr neues Zuhause ist die Kreisliga, der eine ist ein Aufsteiger und der andere hatte noch vor kurzem ein massives Imageproblem.
„Prügelklub“ oder auch „Angstmeister“ hieß der BVA mit zweitem Vornamen und markierte doch nur die Speerspitze auf einer Art Gewaltkarte des Fußballs in Deutschland, die Essen ein beschämendes Dasein als Randale-Hauptstadt einbrachte. Erst zuletzt wurde ein Spieler aus der Essener Freizeitliga – der Klub heißt passenderweise Aggro Bethesda – der einen Schiedsrichter mit einem Faustschlag lebensgefährlich verletzt hatte, zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
Geläutert und erfolgreich Altenessen hingegen ist geläutert. Dabei wollte bis vor drei Monaten kein Gegner überhaupt mit dem Ballverein spielen. Nach mehreren Spielabbrüchen wegen Ausschreitungen auf dem Platz beschlossen in der vorigen Saison die Gegner des BVA mit Beginn der Rückrunde einstimmig, nicht mehr gegen die „Skandalmannschaft“anzutreten.
Natürlich stehen wir unter Beobachtung. Alle warten darauf, dass wir einen Fehler machen
BVA-Kapitän Michael Schwarze
Im davor letzten Meisterschaftsspiel der 06er im Februar hatte der damaliger Kapitän der Mannschaft den Schiedsrichter niedergestreckt. Die Spruchkammer des Kreises sperrte den Spieler zunächst lebenslang, im Mai aber reduzierte das Sportgericht des Fußball-Verbandes Niederrhein die Sperre auf zwei Jahre und setzte sogar 18 Monate zur Bewährung aus.
Statt vom Fußballverband oder dem Staffeltag bestraft zu werden, etwa mit einem Ausschluss vom Spielbetrieb, kassierten die Altenessener zudem am Grünen Tisch so lange jeden Sonntag drei Punkte, bis sie Meister und somit Aufsteiger waren.
Dass es so nicht weiter gehen konnte, war aber allen Beteiligten im Essener Norden klar. Daher wurde die erste Mannschaft nahezu komplett aufgelöst, lediglich drei Spieler aus dem Vorjahreskader durften bleiben. Einer von ihnen ist Fawad Asimi. Der 26-Jährige sieht seine Mannschaft durch den Boykott zu Unrecht an den Pranger gestellt. „Die Liga wollte uns loswerden, weil wir als Störenfriede galten. Mit den Spielern der anderen Mannschaften kommen wir gut aus. Hier in Essen kennt doch jeder jeden“, sagte Asimi der „Welt“ und betonte: „Alle denken, dass wir Prügelknaben wären. Wenn mal ein Spieler aus der Reihe tanzt, können wir anderen doch nichts dafür.“
Eine etwas verkürzte Sicht der Dinge, aber jetzt spielt es auch keine Rolle mehr, Unter dem neuen Trainer Otto Prell, einem „Schleifer“ der alten Schule, sind Ausfälle der Sorte Kopfnuss mit Beleidigung von vornherein tabu. „Wir haben den besten Trainer in Essen“, sagt Altenessens neuer Kapitän Michael Schwarze. „Der Coach fordert hundertprozentige Disziplin, das ist in Ordnung so.“
Nach den ersten vier Spieltagen mischt der Boykottmeister und Zwangsaufsteiger plötzlich auch eine Etage höher ganz oben mit – und das ganz allein aus sportlichen Gründen. Die Sünden ihrer Vorgänger spürt die aktuelle Truppe der 06er aber noch jeden Sonntag. „Natürlich stehen wir unter Beobachtung“, weiß Schwarze. „Alle warten darauf, dass wir einen Fehler machen, aber darauf lassen wir uns nicht ein“, bemerkt Altenessens Abwehrchef.
Im Spiel gegen Katernberg läuft alles friedlich ab. BVA gewinnt mit 4:1 und selbst der gegnerische Trainer Peter Borkowski findet: „Da sind in der letzten Saison ein paar unschöne Dinge passiert, aber das hat mit der jetzigen Altenessener Mannschaft nichts zu tun. Das ist ein ordentlicher, fairer Haufen.“
Handshake willkommen
Und als sei die Regel extra für Altenessen gemacht, gehört der anständige Handshake seit dieser Saison auch auf der Sportanlage an der Stankeitstraße zum Fairplay unter Fußballern. „Das finde ich gut und fördert den Respekt untereinander“, sagt BVA-Kapitän Schwarze. Wenn der Klub aus dem Essener Norden mal wieder überörtlich in die Schlagzeilen gerät, dann nicht nur nach seinem Geschmack gerne mit einem erneuten Aufstieg – diesmal einem rein sportlichen.