Marokko Herne

"Als Verein wurden wir diskriminiert"

Wie scharf haben Spieler und Zuschauer noch die Bilder vom Anschlag auf die französische Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ vor Augen? Ein besonderes Augenmerk gilt Vereinen wie dem FC Marokko Herne. RS sprach mit Präsident Mustafa Mokhtari über seine Reaktion auf den Anschlag, die Integrations-Arbeit in seinem Verein und über den Stand der Verhandlungen über den Bau eines neuen Fußball-Zentrums.

Herr Mokhtari, der Anschlag auf die Redaktion der Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ liegt nun eine gute Woche zurück. Wie haben Sie die Nachricht davon aufgenommen? Mir sind einige Dinge durch den Kopf gegangen. Zum einen war es natürlich ein schrecklicher Angriff. Ich lehne Gewalt grundsätzlich ab. Auch als Reaktion auf eine Provokation wie zum Beispiel die Karikaturen der Zeitschrift. Diese Meinung vertreten wir als Verein geschlossen. So funktioniert kein Miteinander. Nur über diesen Weg geht es letztlich. Auf der anderen Seite hat mich geärgert, dass die Medien das Thema im Gegensatz zu den 2000 getöteten Nigerianern sehr groß gemacht hat. Das ist in den gleichen Zeitraum gefallen.

Derzeit befinden sich die Fußball-Vereine in der Winterpause. Vermutlich ist die Aufregung zu Beginn der Rückrunde schon abgeebbt. Befürchten Sie dennoch Anfeindungen gegen Ihre Mannschaft? Ich muss zugeben, dass der Gedanke daran schon sehr bedrückend ist. Aus unserem Umfeld habe ich noch nichts vernommen. Natürlich gibt es am Platz immer wieder ein paar Herrschaften, die mal einen blöden Spruch bringen. Aber größere Vorfälle hatten wir nicht.

Das klingt positiv... ....ja, weil leider viele ausländische Vereine solche Probleme durchaus haben. Viele Schlägereien, rote Karten, Ausraster auf dem Platz. Und dann kommen immer die gleichen Sprüche auf. „Schon wieder die Ausländer“. Ich bin froh, dass wir bei Marokko Herne davon verschont bleiben. Allein in dieser Saison haben wir noch keine knallrote Karte gesehen.

Diese Art der Darstellung kommt aber bestimmt nicht von alleine. Haben Sie dahingehend intensive Arbeit betrieben, seit der Verein 2007 gegründet wurde? Ja, wir haben von vornherein gesagt, dass wir aus sportlichen Gründen zum Platz kommen. Wir haben ein aktives Vereinsleben, eine gute Jugend-abteilung. In unserem Verein spielen Spieler aus zehn unterschiedlichen Nationen. Wir leben das Miteinander und schon die Jugendlichen lernen, dass sie mit Spielern verschiedener Herkunft zusammenleben können und müssen.

Welches Ergebnis haben Sie daraus feststellen können? Im Verein sind wir weit von Problemen entfernt, die vielleicht manch anderer ausländischer Klub hat. Wir sind mit Blick auf Provokationen sehr kalt. Man kriegt uns nicht so schnell auf „180“.

Haben Sie darauf auch schon Rückmeldungen erhalten? Ja, auf jeden Fall. Das lässt sich allein schon daran erkennen, wie wir unsere Trainingsspiele organisieren können. Kurz nach unserer Gründung wollte kaum eine Mannschaft gegen uns spielen. Mittlerweile können wir uns den Gegner fast aussuchen und wenn wir uns irgendwo melden, dann bekommen wir sofort positiven Bescheid. Auf der anderen Seite sind wir darum bemüht, Zuschauern auf unserem Platz zu zeigen, was wir wirklich gut können: Gastgeber sein. Ich habe eine Sache beobachtet – Schiedsrichter und Zuschauer kommen und gehen mit einem Lächeln.

Enttäuscht es Sie bei so einer aufwendigen Vereinsarbeit nicht, dass Ihr Bewerbungsverfahren um das Fußballzentrum (RS berichtete) gescheitert ist? Das Thema sitzt bei mir noch sehr tief. Wir fühlen uns als Verein da politisch diskriminiert. Vor allem, weil wir einen gut funktionierenden Verein mit einer guten Jugendarbeit haben. Wir haben geklagt und warten derzeit noch den Ausgang des Gerichtsverfahren ab. Inzwischen habe ich einen anderen Weg gewählt, um dieses Zentrum doch noch zu bauen.

Auf diesem anderen Weg haben Sie Ihre guten Kontakte zum marokkanischen Fußballverband genutzt. Klären Sie uns auf – wie ist da der Stand der Dinge? Mit dem marokkanischen und dem deutschen Verband sind wir in Gesprächen. Auch da warten wir noch ab. Ich verfolge dieses Vorhaben sehr hartnäckig und denke, dass wir uns das als Verein auch verdient haben.

Sehen Sie denn die sportlichen Argumente auf Ihrer Seite? Auf jeden Fall. Unsere Erste Mannschaft steht in der Kreisliga A gut da. Wir wollen dort den maximalen Erfolg rausholen, das ist ja klar. Wir haben eine gute Mannschaft. Im übrigen bin ich davon überzeugt, dass der sportliche Erfolg eng damit zusammenhängt, wie das Auftreten der Mannschaft von außen wahrgenommen wird. Wir stehen in der Tabelle recht weit oben, sind inoffizieller Stadtmeister in Herne geworden. Und bei uns gibt es keine bösen Zwischenfälle. Das kann kein Zufall sein.

Also halten Sie es für einen guten Plan, sich an einem Sonntagnachmittag bei einem kühlen Pils ein Spiel Ihrer Mannschaft anzuschauen? Bier – und alkoholische Getränke allgemein – werden Sie bei uns nicht finden, davon bin ich persönlich ein Gegner. Das animiert nur zu Dummheiten. Außerdem wollen wir unseren Jugendlichen nicht vor Augen halten, dass nach dem Abpfiff direkt die Flasche in der Kabine aufgemacht wird. Ich empfehle Ihnen deshalb eher einen Kaffee oder eine marokkanische Minze.