Im Februar hat sie ihren 80 Geburtstag gefeiert – und ans Aufhören als ehrenamtliche Helferin beim VfR 08 Oberhausen ist bei ihr noch lange nicht zu denken.
Wenn es beim VfR 08 etwas zu organisieren gibt, ist Ilse nicht weit weg. Das war schon bei ihrem Job als Verkäuferin so, oder wenn es darum ging, wer ihre Tochter und deren Teamkameradinnen zu Basketballspielen der Schul-Europameisterschaft fährt. „Ach, wie gut, dass wir die Ilse haben“, wurde dann immer gesagt. Beim VfR hat sich dies fortgesetzt. „Wenn wir nicht mehr weiter wissen, fragen wir die Ilse“, kriegt die 80-Jährige heute immer noch oft zu hören. Ihr selbst ist das nicht so lieb – zumindest nicht, wenn sie deswegen in den Mittelpunkt gestellt wird. Als sie beim 100-jährigen Vereinsjubiläum für ihre Treue und Unterstützung geehrt wurde, wäre sie lieber im Hintergrund geblieben. „Ich musste immer wieder auf die Bühne“, erinnert sie sich, „das war mir gar nicht recht.“
An Ilse Kucks Kassenhäuschen kommt beim VfR 08 Oberhausen niemand vorbei, ohne zu bezahlen.
Geschäftsführer Ralf Zimmermann weiß aber: Wenn man jemandem für seine ehrenamtliche Arbeit Dank sagen kann, dann so. Ilse Kuck hat für ihr Engagement sogar die DFB-Verdienstnadel verliehen bekommen – gerade einmal drei bis vier Stück hat der Fußballkreis Niederrhein hierfür pro Jahr zur Verfügung. Eine höhere Auszeichnung gibt es also kaum. Aber auch diese hat sie nur widerwillig entgegen genommen. „Ich sage immer, jeder ist ersetzbar, da muss man keinen großen Fokus auf mich legen.“
Plötzlich Kassiererin
Ilse ist eben bescheiden. So bescheiden, dass sie vor vielen Jahren auch nicht „nein“ sagen konnte, als sie bei der Jahreshauptversammlung der 08er als Kassiererin vorgeschlagen wurde. „Das kann doch die Ilse machen“, hatte ihre Freundin damals gesagt. Wer gute Freunde hat, braucht eben keine..., denn kaum hatte sie sich versehen, war sie für den Posten auch schon gewählt.
Ihre Anfänge beim VfR machte Ilse allerdings nicht bei den Fußballern. 1970 – mit 36 Jahren – gründete sie zusammen mit ein paar anderen Frauen die Damen-Gymnastikabteilung der 08er. Die ist inzwischen Geschichte – Ilse nicht. Für die adrette alte Dame war es gar keine Frage, dass sie ihren Posten als Kassiererin auch nach Auflösung der Turnabteilung weiter ausführen wird. Schließlich gehörte sie ja zum Vorstand des Gesamtvereins und den wollte sie auf keinen Fall im Stich lassen.
Von ihrem Platz hat Ilse Kuck auch sportlich alles im Blick.
Zumal sie auch schon Dinge bemerkt hatte, bei denen Geld eingespart werden konnte. Zwar ging es dem VfR 08 immer relativ gut, wie die Frau, die qua ihres Amtes stets Einblick in die Finanzen hatte, berichtet. Doch gutes Haushalten war und ist es bis heute wichtig. Deshalb übernahm sie vor 20 Jahren auch den Posten als Platzkassiererin. „Damals haben das noch zwei Männer gemacht, die haben dafür immer 25 D-Mark bekommen“, erinnert sich Ilse. „Ich habe gesagt, das können wir uns gar nicht erlauben. Und dann habe ich das eben selbst gemacht und gar nichts dafür genommen“, erklärt sie wie selbstverständlich.
Hartes Regiment an der Tiroler Straße
Spätestens seitdem ist sie nicht mehr aus dem Verein wegzudenken. „Wenn du in Oberhausen vom VfR 08 erzählst, dann sagen immer alle: ‚Ach, die Ilse‘“, weiß Zimmermann.
In ihrem Kassenhäuschen, das sie auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit im Vorstand vor zehn Jahren nicht aufgegeben hat, kennt sie jeder. Ob Heim- oder Gästefans, an ihr kommt keiner vorbei. Von dem Moment an, wenn sie das Häuschen am Spieltag um halb zwölf aufschließt, gibt es für die Zuschauer kein Pardon. Den Platz betritt niemand, ohne zu löhnen. Erst viele Stunden später – meistens spielen alle drei Seniorenteams hintereinander – ist die Kasse wieder zu, „Da pass‘ ich schon auf“, erklärt Ilse.
Ilse Kuck weiß genau, was sie den Zuschauern beim VfR 08 abknöpfen muss.
Ausnahmen gibt es keine, auch wenn sich manche Bekannte wundern, wenn sie rigoros abkassiert werden. Ilse führt eben ein hartes Regiment an der Tiroler Straße. „Sie ist sehr hartnäckig darin, Eintrittsgelder zu kassieren“, nickt Zimmernann. Hier und da versuchen schon mal ein paar 08-Fans sich durchzumogeln. „Die kommen dann erst zur zweiten Halbzeit, da muss man keinen Eintritt bezahlen, und sagen, dass sie danach wieder gehen. Aber nicht mit mir“, macht Ilse klar und lacht: „Ich gehe dann beim nächsten Spiel extra einmal über den Platz und gucke, wer von denen noch da ist. Die müssen dann schön bezahlen.“
Platz abkreiden, Trikots waschen, Bier zapfen
Übel nimmt ihr das niemand. Jeder beim VfR weiß, was er an Ilse hat. Wer würde sonst einspringen, wenn der Platzwart Urlaub hat und jemand die Linien auf dem Platz ziehen muss? Wer würde die Wäsche von drei Mannschaften einsammeln und nach dem Spiel im Keller des Vereinsheims direkt in die Maschine werfen? Oder wer würde sämtliche Vereinsfeiern organisieren, freiwillige Helfer zusammentrommeln und am Ende selbst im Bierwagen stehen und zapfen? „Ohne jemanden wie Ilse wäre der Verein ganz schön aufgeschmissen“, erklärt der Geschäftsführer. Als Dankeschön hat sie der damalige Vorsitzende Hans Grunauer einmal in sein Haus am Comer See eingeladen, wovon die 80-Jährige heute noch schwärmt.
Ihr Reich hat sich Ilse Kuck germütlich gestaltet. Im Winter hat sie sogar eine Heizung zur Verfügung.
Aber auch Ilse „profitiert“ von ihrer selbstlosen Arbeit für den VfR 08. Man kann quasi sagen, es ist ein Geben und Nehmen für beide Seiten. Ihre Kinder sind erwachsen und aus dem Haus, sie ist verwitwet und hat beim Verein ein kleine Ersatzfamilie gefunden. Deshalb fällt es ihr auch in ihrem gehobenen Alter so schwer sich zurückzuziehen. Zu allem und jedem hat sie Kontakt, weiß immer, was rund um den VfR so los ist. Das hält sie auf Trab. In einem Jahr, so erzählt sie, will sie aber auch ihren „Job“ als Platzkassiererin abgeben. Zimmermann nimmt‘s gelassen . „Jo, jo“, sagt er nur, „das hat sie schon des Öfteren gesagt“, schmunzelt er.
Und was ist draus geworden? Mit 80 Jahren ist Ilse beim VfR 08 Oberhausen immer noch mitten dabei.