Kai Timm hat schon deutlich erfolgreichere Zeiten in seiner Trainer-Laufbahn erlebt. Im Jahr 2007 etwa, als er als Co-Trainer von Heiko Herrlich bei der U17-WM in Südkorea Spieler wie den heutigen Weltmeister Toni Kroos oder Hoffenheims Sebastian Rudy betreute. Der 47-Jährige besitzt eine Fußballlehrer-Lizenz, die er gemeinsam mit Robin Dutt als Jahrgangsbester erhielt. Zwischen 2008 und 2012 vertraute deshalb auch Rot-Weiß Oberhausen seinem Fachwissen. Auf der Emscherinsel war Timm als Jugendkoordinator und Coach der A-Jugend-Bundesliga-Mannschaft tätig. Anschließend trat er dem Trainerstab des Bundesligisten Hannover 96 bei.
Ausgehend von dieser imposanten Vita ist der gebürtige Oberhausener für ein Engagement beim Bezirksligisten Schwarz-Weiß Alstaden in der Tat überqualifiziert. Erst recht für eine Mannschaft, deren Entwicklung alles andere als vielversprechend ist. Timm wurde bei den Oberhausenern in der Winterpause überraschend als Nachfolger von Guido Contrino vorgestellt, der nach einigen erfolgreichen Jahren vor die Tür gesetzt wurde. Die ersten vier Monate seiner Amtszeit in Alstaden waren für Timm gelinde gesagt unerfreulich. Der neue Trainer hatte mit den Nachwirkungen der Ausbootung seines Vorgängers zu kämpfen. Leistungsträger wie Andre Kampen, Patrick Cibis oder Torhüter Dominik Langenberg kehrten dem Klub den Rücken zu. "Die Stimmung war zu Beginn sehr vergiftet, sodass uns einige Spieler verlassen haben. Leider war das erst nach meiner Verpflichtung der Fall", erinnert sich Timm.
Bei uns darf alles spielen, was Schuhe hat
Kai Timm
Die Konsequenz war eine extreme sportliche Talfahrt, die letztlich den Abstieg zur Folge hatte. Elf von zwölf Spielen wurden mit einem Torverhältnis von 12:78 verloren. Gegen die Topteams Blau-Weiß Oberhausen und Viktoria Buchholz setzte es zweistellige Niederlagen. Das letzte Spiel am Sonntag ging mit einer 1:7-Klatsche gegen die Spvgg Meiderich zu Ende. Aufgrund der prekären Personaldecke ist Timm Woche für Woche gezwungen, eine Notelf ins Rennen zu schicken, die den Ansprüchen der Bezirksliga nicht gewachsen ist. "Bei uns darf alles spielen, was Schuhe hat", übt sich Timm in Galgenhumor.
Eine berufliche Veränderung hatte erst dafür gesorgt, dass der einstige DFB-Trainer überhaupt in Alt-Oberhausen anheuern konnte. Seit letztem Sommer arbeitet Timm als Athletik-Trainer für die Essener Physiotherapie-Praxis "Handarbeit". Um seiner Leidenschaft, dem Fußball, weiterhin nachgehen zu können, nahm er das Angebot der Schwarz-Weißen an. Die desaströsen Ergebnisse seiner Mannschaft will sich Timm jedoch nicht ankreiden lassen. "Meine Arbeit ist nicht zu bewerten. Ich verwalte hier nur den Mangel. Mit einer Handvoll Spieler beim Training kann ich nicht arbeiten und meine Erfahrung einbringen. Das ist sehr ernüchternd und natürlich habe ich mir das für meine Freizeitgestaltung auch anders vorgestellt", betont der Fußballlehrer.
Nach diesem sportlichen Waterloo hätte Timm reichlich Gründe, sein Zeit in Alstaden zu beenden. Sollte sich seine berufliche Situation nicht verändern, stünde er aber für einen Neuanfang bei den Schwarz-Weißen zur Verfügung. "Der Verein besitzt eine gute Jugendarbeit und hat somit die Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein. Die Situation im letzten halben Jahr war für alle Beteiligten sehr krass. Aber wenn es eine Perspektive gibt, wäre ich gesprächsbereit. Ich könnte mir aber auch vorstellen, hauptberuflich ein Abenteuer im Ausland zu beginnen. Das ist momentan alles noch offen", sagt der SWA-Coach.
Wer das jüngste Abenteuer bei Schwarz-Weiß Alstaden überstanden hat, dürfte sich wohl so schnell vor keiner Aufgabe mehr scheuen.