Ein Durchmarsch in der zweiten Liga. Das ist leichter gesagt als getan. In Bochum wird er nach jedem Abstieg unter der Fanschaft stillschweigend vorausgesetzt, sozusagen als Gewohnheitsrecht begriffen. In der Tat: vier Abgänge aus dem Oberhaus wurden jeweils postwendend mit dem sofortigen Wiederaufstieg beantwortet. Warum sollte das in dieser Saison anders sein?
Der zur Verfügung stehende Kader liest sich zwar nicht wie das "who is who" im deutschen Fußball. Aber im Vergleich zu den "no budget"-Teams aus dem Osten oder Süden der Republik in Liga zwo unterstellten alle Fachleute den Bochumern einen überdurchschnittlichen Kader und einen vergleichsweise geruhsamen Rückweg ins Oberhaus. Der 4:0-Startsieg in Saarbrücken untermauerte diese Einstellung eindrucksvoll. Noch 281 Tage bis zum Aufstieg titelte auch RevierSport nach jenem ersten Spieltag. Viereinhalb Monate sind seither ins Land gegangen. Der VfL steht auf einem Aufstiegsplatz, nur um zwei weniger geschossene Tore getrennt vom Liga-Primus Alemannia Aachen. Auch mit 32 erzielten Punkten scheint man im Soll. Doch ansonsten ist wirklich alles anders gekommen.
Irrtum Nummer eins: Die angenommene spielerische Armut in der zweiten Liga war eine fatale Fehlanalyse, abgeleitet von den vielen No-Name-Aufgeboten kleiner Vereine. Stattdessen mischen vor allem auch die Neulinge beachtlich mit. Bis auf zwei, drei etwas abfallende Klubs (die aber auch an jedem Spieltag für eine Überraschung gut sind) kann jeder jeden schlagen, entscheiden Kleinigkeiten ein Match. Dass der Achte, Neuling Paderborn, nur vier Punkte von einem Aufstiegsplatz entfernt ist, unterstreicht die spannungsgeladene Ausgeglichenheit der Liga. Nach der Hälfte der Saison haben acht Teams berechtigte Hoffnungen auf den Aufstieg. Keiner hat sich abgesetzt. Es wird vermutlich spannend bis auf die Zielgerade.
Irrtum Nummer zwei: Der VfL verfügt im Angriff mit Bechmann, Diabang, Edu und van Hout über erfahrene Erstliga-Stürmer, die die Abwehrreihen der Gegner gehörig aufmischen. Tatsächlich verdankt der VfL seinen guten zweiten Tabellenplatz aber vor allem der sicheren Deckung. Zehnmal stand am Ende die Null, für die fünf ultra-knappen 1:0-Heimsiege sorgten, sogar teilweise als Schützen des goldenen Tores, die Abwehrspieler. Edu und van Hout überzeugten nur teilweise, Diabang und Bechmann sind bisher absolute Totalausfälle.
Irrtum Nummer drei: Die (Aufstiegs)-Routine des VfL wird es spätestens richten. Doch auf den Lorbeeren vergangener Jahre kann sich niemand ausruhen. Der VfL 2005/06 hat einen Trainer, der die zweite Liga bisher nicht kannte, und viele Spieler, die erst noch unter Beweis stellen müssen, dass sie dem wöchentlichen Druck gewachsen sind. Der Aufstieg wird kein Selbstläufer, weil es bisher vier Mal geklappt hat.
So hat die Bochumer Fanschaft, eher murrend als verständnisvoll, mittlerweile wohl verstanden, dass jeder Punkt auf Messers Schneide steht, mit viel Aufwand erkämpft werden muss. Zwei Niederlagen hintereinander reichen, um sich sofort nicht mehr auf einem Aufstiegsplatz zu befinden. Um das zu verhindern, wäre dringend eine weitere Offensivkraft von Nöten, denn vom Mittelfeld geht einfach zu wenig Torgefahr aus. Wenn der Gegner die VfL-Spitzen aus dem Spiel nimmt, kann oft nur die Brechstange in den Schlussminuten helfen. Immer wird das nicht klappen.
Sorgenvoll blicken aber auch diejenigen in die Zukunft, die vom Erreichen einer der drei Aufstiegsplätze ausgehen. Ist mit Drsek, Misimovic, van Hout und Co. eine einigermaßen erfolgreiche Zukunft im Oberhaus vorstellbar? Es fehlen die jungen Kräfte, die in ihrer Entwicklung schon weit sind, aber noch erkennbares Potenzial nach oben haben. Trojan ist da zu nennen, Edu, Butscher und Misimovic, wenn er endlich seine latente Trägheit ablegt. Ansonsten sind es die Alten, die wieder als Hoffnungsträger herhalten müssen: van Duijnhoven, Colding und vor allem der neue Leithammel Thomas Zdebel. Dariusz Wosz gehört nicht mehr dazu. Es wäre schon viel, wenn er noch einige kleine Beiträge zum Unternehmen Aufstieg leisten und eine glanzvolle Karriere beim VfL eher unscheinbar beenden würde.