Die Sorge um seine Mutter begleitete schon seit Wochen die Gedanken des Coaches und überschattet die Jubelstimmung bei dem 40 Jahre alten Erfolgscoach, der mit dem Vorstoß ins Oberhaus seine bisher beeindruckende Trainerkarriere zunächst gekrönt hat.
"Stani" wirkt immer wie ein Kumpel aus dem Viertel. Er ist schnell beim Du, redet in einem gepflegten Hamburgisch, steht im Leben und findet meist den richtigen Ton im Umgang mit Spielern und Umfeld. Der ehemals knallharte Vorstopper kommt locker rüber und ist doch ein äußerst akribischer und ehrgeiziger Arbeiter, der sich bis an den Rand der Erschöpfung mit Fußball beschäftigt.
Jahrgangsbester beim Fußballlehrer-Lehrgang
Dass er den vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) geforderten Fußballlehrer-Lehrgang im letzten Jahr quasi nebenher absolvierte, zeigt seinen Biss und Talent. Von Montag bis Donnerstag war er in Köln beschäftigt, Freitag bis Sonntag kümmerte er sich um sein Team. Andere Trainer sind an dieser Aufgabe gescheitert, zuletzt in Stuttgart Markus Babbel. Stanislawski schloss als Jahrgangsbester ab und lieferte nun sein Meisterstück.
Kein Wunder, dass er bereits bei anderen Vereinen im Fokus stand. Borussia Mönchengladbach soll vor der Saison angefragt haben, auch Werder Bremen dachte über ihn nach. "Als ich Trainer wurde, war klar, dass ich irgendwann St. Pauli verlassen muss", sagte
Ein erfolgeiches Duo: Holger Stanislawski und Andre Trulsen (Foto: firo).Stanislawski
einmal, "so ist das Geschäft."
Seine Erfolge sind allerdings ohne Andre Trulsen nicht vorstellbar. Als Kicker hielten beide bei St. Pauli gemeinsam die Abwehr zusammen, als Trainergespann haben sie den Kiezklub sportlich neu aufgestellt. "Wenn Truller Brüste hätte, hätte ich ihn geheiratet", sagte Stanislawski bei "11 Freunde". Beide verstehen sich als Einheit ohne Hierarchie, "Ein Kopf, ein Arsch!". Trulsen hat in der Zeit der Ausbildung in Köln auch die Einheiten geleitet, ohne dass Stanislawski ständig nachfragen musste.
Der eine sprudelt ständig vor Ideen, diskutiert, entwickelt und verwirft dann wieder. Trulsen hört zu und macht dann am Ende die eine entscheidende Bemerkung. So haben sie auch die Krise zu Beginn der Rückrunde bewältigt. Mit vier Spielen in Folge ohne Sieg drohte der Klub seine gute Ausgangssituation im Aufstiegskampf zu verspielen, war nur noch Dritter, vier Punkte hinter Augsburg, Düsseldorf mit zwei Zählern Abstand im Nacken.
Da entschloss sich Stanislawski zu einer "Brandrede". Alle Tasten würden auf "Reset" gesetzt, alles fange bei Null an, die Saison beginne jetzt, keine Stammplätze mehr, jeder müsse sich neu beweisen. Es ist gelungen.
Routine kommt nicht auf, der Trainer Stanislawski erfindet sich immer wieder neu, ist offen für Einflüsse von außen. Aber er hat klare Vorstellungen von Spiel. Der alte St. Pauli-Mythos vom Kampf bis die Socken qualmen gilt nicht mehr, seit er im November 2006 das Team in der dritten Liga von Andreas Bergmann übernommen hat und dafür den Job als Sportchef aufgab. Kurzpässe, spielerische Stärke, Offensive sind das Credo: "Mich freut, wenn Mannschaften oben stehen, die viele Tore schießen." Kein Team im deutschen Profifußball hat öfter ins Schwarze getroffen.