Auch die Betrugs-Affäre um die Familie Wildmoser bringt den Stadionneubau in München offenbar nicht in Termin-Nöte. Das Organisations-Komitee der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gab Entwarnung: die Austragung des Eröffnungsspiels in München sei nicht in Frage gestellt. "Nach unseren Erkenntnissen gibt es beim Bau keine Verzögerungen. Es hat immer geheißen, dass man dem Zeitplan sogar voraus ist. Wir sehen also im Hinblick auf 2006 keine Gefährdung", sagte OK-Vizepräsident Wolfgang Niersbach dem Sport-Informations-Dienst (sid).
Nach Auffassung von Bayern Münchens Vizepräsident Bernd Rauch "könnte es zu Verzögerungen kommen", denn, so der Architekt, "außer den Wildmosers kennt sich bei 1860 beim Stadionbau niemand richtig aus." Die zeitgerechte Fertigstellung der auf 285 bis 300 Millionen Euro Baukosten veranschlagten Arena vor dem 9. Juli 2006 - Tag des WM-Eröffnungsspiels - scheint aber nicht gefährdet. Und für Spiele im Rahmen des Konföderationen-Cups im Sommer 2005, der außerdem als WM-Generalprobe gilt, ist München ohnehin nicht vorgesehen.
Zur Not steht Scherer zur Verfügung
Am Donnerstag oder Freitag wird es nach Angaben von Professor Fritz Scherer, Bayern-Vizepräsident und mit Karl-Heinz Wildmoser jr. bislang gemeinsam Geschäftsführer der Münchner Stadion GmbH, eine Gesellschafterversammlung geben. "Die Geschäftsführung muss schnell neu besetzt werden", sagte er dem sid. Scherer, der vergangene Woche schon aus "privaten und gesundheitlichen Gründen" seinen Rückzug von seinem Posten angekündigt hatte, kündigte an, für eine Übergangszeit zur Verfügung zu stehen: "Ich bin auf jeden Fall da."
Als Termin für die Fertigstellung der Allianz-Arena, die im nördlichen Stadtteil Fröttmaning errichtet wird, wurde bislang das Frühjahr 2005 (April/Mai) angegeben. Errichtet wird sie nach Plänen der Schweizer Architekten Herzog/de Meron von der Firma Alpine, die im nördlich von München gelegenen Eching ihren Sitz hat. Das schon als "Schwimmreifen" bezeichnete Modell hätte zunächst 358 Millionen Euro kosten sollen und lag damit weit über der geplanten Obergrenze der beiden Münchner Fußball-Klubs von 240 Millionen Euro.
Die FC Bayern München AG und der TSV München von 1860 sind gleichberechtigte Bauherren der Arena. Nachdem sich die Münchner Bürger im Oktober 2001 bei einem Volksentscheid mit einer Mehrheit von zwei Dritteln für den Bau dieses Stadions ausgesprochen hatten, gründeten die beiden Klubs die Münchner Stadion GmbH, zu der sie zu jeweils 50 Prozent beteiligt sind. Zweck dieser GmbH sind der Bau und der Betrieb der Arena, als Stammkapital flossen zwei Millionen Euro ein.
Die finanzielle Schmerzgrenze
Am 8. Februar 2002 entschieden sich die Klub gegen das Modell der Architekten Gerkan/Marg und die Baufirma Max Bögl, die mit 337 Millionen Euro ein zunächst günstigeres Angebot angegeben hatten - der "Schwimmreifen" und Alpine-Bau erhielten den Zuschlag. Nun war von Kosten von 280 Millionen Euro die Rede. Bei den Verhandlungen mit den beiden "Finalisten" könnten die Wildmosers, so der Verdacht der Staatsanwaltschaft, der Baufirma Alpine mitgeteilt haben, wo die finanzielle "Schmerzgrenze" die beiden Klubs lag.
Zur Finanzierung des Baus brachte der FC Bayern 75 Millionen Euro als Gesellschafterkredit ein - das Geld stammt aus dem Verkauf von zehn Prozent der Anteile der FC Bayern AG an Adidas. Weitere 150 Millionen Euro an Krediten wollten Banken bereitstellen. Der Betrieb des Stadions soll die Rückzahlung der Kredite gewährleisten. Aus der Vermietung von 104 Logen zum Jahrespreis von 100.000 Euro sowie aus dem Verkauf der Namensrechte an die Allianz (geschätzte 90 Millionen Euro) sollen Zins und Tilgung beigebracht werden.