Kapitän Alexander Nübel will nach dem „geilen Spiel“ die „Euphorie mitnehmen“, Scorerkönig Amine Harit bezeichnet Schalke 04 schon als „Topteam“ - doch wenn es nach ihrem Trainer geht, müssten die beiden schnellstmöglich zum Arzt. „Alle, die nach sechs Spieltagen und einem Auswärtssieg in Leipzig in Euphorie verfallen: Bitte gebt denen Tabletten!“, sagte David Wagner schmunzelnd.
Doch selbst Wagner fiel es nach dem unerwarteten 3:1 (2:0)-Coup beim bis dahin ungeschlagenen Titelanwärter RB Leipzig und dem Sprung auf die Champions-League-Plätze schwer, einfach so zur Tagesordnung zurückzukehren. „Für Nachmittage wie diesem wurde das Wort “Stolz' erfunden„, sagte der 47-Jährige pathetisch: “Den Jungs kam in den letzten fünf Minuten das Laktat aus den Augen. Das sind Laktat-Junkies!„ Insgesamt spulten die Schalker 124,5 Kilometer ab - zweitbester Wert für den Klub seit Datenerfassung (2011).
Mit unbändigem Einsatz, einem klaren taktischen Plan und ein wenig Glück holte sich der Fast-Absteiger der Vorsaison nicht nur den vierten Sieg in Folge, sondern setzte sich auch vorerst in der Spitzengruppe der Bundesliga fest. Einen Punkt hinter dem neuen Tabellenführer Bayern München, zwei Zähler vor Erzrivale Borussia Dortmund. Und am nächsten Wochenende sind im Heimspiel gegen Aufsteiger 1. FC Köln drei weitere Punkte realistisch.
Nübel lobt "mit die geilsten Fans der Liga"
Wie groß der Entwicklungssprung unter Neu-Trainer Wagner ist, zeigt der Vergleich mit dem fast peinlich ermauerten 0:0 beim letzten Auswärtsspiel in Leipzig vor einem Jahr. Diesmal trat Schalke wie eine Spitzenmannschaft auf, aggressiv in der Verteidigung, kompakt im Pressing, schnell im Konterspiel und effektiv bei Standards. Und das mit neun Spielern in der Startelf, die der viel kritisierte Ex-Manager Christian Heidel verpflichtet hatte.
„Ja, wenn wir so spielen, sind wir ein Topteam“, meinte daher Harit, der seine Ausnahmeform mit einem verwandelten Foulelfmeter (43.) und der Vorlage zum 3:0 für Startelf-Debütant Rabbi Matondo (58.) vorbereitete. Und Mittelfeld-Abräumer Omar Mascarell verglich: „Wir verteidigen wie die Tiere.“
Harit, Mascarell, Matondo - sie und viele andere hat Wagner mit seiner Art und seinem Spielplan wachgeküsst. Mit Talent Matondo (19), der mit seiner Schnelligkeit die hohe Verteidigungslinie der Leipziger ausnutzen sollte, und der Umstellung auf eine Raute im Mittelfeld stach Wagner seinen hochgelobten RB-Trainerkollegen Julian Nagelsmann aus. „Das waren keine ganz doofen Entscheidungen“, sagte Wagner hinterher. Vor allem Matondos Tor nach einem Konter stand „bilderbuchmäßig für die Idee, die wir hatten“.
Dass es am Ende durch den Anschlusstreffer von Emil Forsberg (83.) nochmal eng wurde, lag an einem Patzer von Nübel, der sich den Ball mehr oder weniger selbst ins Tor faustete. Doch der Torhüter hatte zu Beginn sein Team mit einer herausragenden Doppel-Parade (16.) im Spiel gehalten. Deswegen gab es sofort aufmunternden Applaus und Sprechchöre von den Fans für Nübel.
„Dafür sind sie ja mit die geilsten Fans auf der Welt“, sagte Nübel, dessen Zukunft jedoch weiter ungewiss ist. Fest steht aber: Einen ablösefreien Wechsel zu RB wird es nicht geben. Nach jetzigem Stand würde sich Nübel sportlich auch nicht sonderlich verbessern. sid