Wie es einem auf Schalke ergehen kann, hat Alexander Nübel zum ersten Mal am 17. Mai 2012 bitter erfahren müssen. Mit der U17 des SC Paderborn war der damals 15-Jährige im Halbfinale des Westfalenpokals zu Gast. Der SC Paderborn verlor mit 1:5 und schied aus. Gut sechseinhalb Jahre später ist Nübel 22 Jahre alt und seit Sonntag die neue Nummer eins auf Schalke. Trainer Domenico Tedesco hat sich für einen Torhüterwechsel entschieden. Ralf Fährmann saß beim 2:1-Heimsieg gegen den VfL Wolfsburg auf der Bank. Nübel spielte stark und hatte einen großen Anteil daran, dass Schalke mit drei Punkten in die Rückrunde gestartet ist.
An jenem Tag im Mai 2012 war es Paderborns U17-Außenverteidiger Eric Kroll, der von seinem Trainer die Aufgabe bekam, Leroy Sané auszuschalten. Klappte nicht ganz. Der Nationalspieler erzielte das 2:0 und spielte überragend. Eric Kroll kickt heute beim SC Willingen in der Verbandsliga Nord. Den Sieg der Schalker am Sonntag gegen Wolfsburg hat er im Fernsehen gesehen. Als BVB-Fan sagt er: „Ich habe mich zumindest für Alex gefreut.“ Der 23-Jährige kann sich noch gut an gemeinsame Trainingseinheiten mit Alexander Nübel erinnern – an die Vier-gegen-Vier-Turniere auf doppeltem 16-Meter-Raum. „Wenn du Alex in deiner Mannschaft hattest, war es definitiv die halbe Miete. Du konntest ihn immer anspielen“, sagt er und ergänzt: „Alex konnte schon immer besser mit dem Ball am Fuß umgehen als so mancher Feldspieler.“
„Manuel Nübel“ sei der Keeper von den Mitspielern genannt worden. Und wenn der junge Torwart mal wieder eine Großchance entschärft hatte, habe immer einer der Spieler über den Platz gerufen: „Gar nicht nübel!“ Eric Kroll beschreibt seinen ehemaligen Teamkollegen und Sitznachbarn in der Kabine als „einen der bodenständigsten Typen überhaupt“ und sagt ihm eine große Karriere voraus: „Ich kann mir gut vorstellen, dass Alex eines Tages auch bei der Nationalmannschaft im Tor steht.“ Sein Wunsch für das Revierderby, wenn Schalke Ende April beim BVB antritt, lautet: „Ein gutes Spiel vom Schalker Torwart, aber ein Sieg für Dortmund.“
Bayer 04 entschied sich gegen Nübel
Markus Krösche ist Manager beim Zweitligisten SC Paderborn. In der Saison 2014/15 war er Trainer der U21 des SCP, bei der Alexander Nübel schon als 17-Jähriger das Tor hütete. Auch der heute 38-Jährige ist ein Stück weit stolz darauf, dass Alexander Nübel nun aktuell die Nummer eins auf Schalke ist. „In erster Linie freue ich mich für Alex, aber ich freue mich auch für uns. Er hat schließlich fast die gesamte Jugendabteilung bei uns durchlaufen.“ Alexander Nübel war neun Jahre alt, als er vom TSV Tudorf zu den Paderbornern wechselte. Bis zur U14 spielte er sogar im Feld.
Als Krösche von Mitte 2015 bis März 2017 Co-Trainer von Roger Schmidt bei Bayer Leverkusen war, seien die Leverkusener auf der Suche nach einem jungen talentierten Torwart gewesen. „Da habe ich Alex ins Spiel gebracht. Sie haben sich aber gegen ihn entschieden“, verrät Krösche, der von der Ruhe und der Ausstrahlung schwärmt, die der S04-Keeper schon als ganz junger Torwart hatte. Auf die Frage, was er Alexander Nübel noch zutraut, antwortet Markus Krösche: „Zunächst, dass er ein sehr guter Bundesliga-Torwart wird. Dazu hat er alle Voraussetzungen. Er ist ein Torwart der neuen Generation und einer der besten deutschen Torhüter überhaupt. Deshalb ist nach oben hin alles offen.“
Jürgen Luginger war bis März 2017 U23-Trainer auf Schalke, aktuell arbeitet er für den Regionalligisten FC 08 Homburg. 2015/16 und 16/17 absolvierte Alexander Nübel 23 Spiele für die U23 in der Regionalliga. „Man hat gesehen, dass Alex eine außergewöhnliche Klasse besitzt“, sagt der Fußballlehrer, den Nübel von seiner Art und vom Torwartspiel an Jens Lehmann erinnert. „Da erkenne ich schon gewisse Parallelen“, sagt er. Luginger und Lehmann spielten Anfang der 90er-Jahre zusammen auf Schalke. Luginger ist sicher, dass Alexander Nübel auch noch „Lehrgeld bezahlen“ wird. Er ist aber ebenso sicher, dass er eine große Karriere vor sich hat. „Ich traue ihm alles zu.“
Nübels erster Verein: TSV Tudorf
Beim TSV Tudorf wurde am Sonntag gejubelt, weil Alexander Nübel gegen Wolfsburg im Tor stand. Günter Hermens ist 2. Vorsitzender des Vereins, bei dem der Schalker Torwart mit dem Fußballspielen begann, bevor er als Neunjähriger zum SC Paderborn wechselte. Günter Hermens sagt, dass er am Sonntagvormittag noch über Nübel gesprochen habe. „Ich habe zu Vereinskollegen gesagt, dass Alex zusehen muss, dass er ins Tor kommt, oder Schalke verlassen muss. Als ich dann am Nachmittag gelesen habe, dass er spielt, bin ich fast vom Glauben abgefallen“, sagt er und lacht. Seine Frau Yvonne Hermens war in der G-Jugend die erste Trainerin von Alexander Nübel. „Er konnte überall spielen. Egal, ob im Sturm oder im Tor. Er ist dann ja auch als Stürmer nach Paderborn gewechselt.“
Die Familie Hermens hat einen guten Draht zu Nübels Eltern und auch zu den Geschwistern. Nübels Bruder Constantin ist Trainer in der Tudorfer Leichtathletikabteilung. „Seine Eltern haben nie im Verein Fußball gespielt. Keiner weiß so richtig, von wem Alex das Talent hat“, sagt Günter Hermens, der auch dabei war, als der Torwart im vergangenen Jahr in Salzkotten als Sportler des Jahres geehrt wurde.
Wenn es Schalkes Spiel- und Trainingsplan zulässt, würde er sich sehr über einen Besuch von Alexander Nübel beim Vereinsjubiläum im Oktober freuen. Oder Mitte Juni, wenn die St. Hubertus Schützenbruderschaft Oberntudorf Schützenfest feiert.
Autor: Christoph Winkel