Onur Bulut ist beim SC Freiburg zum Stammspieler gereift. Eine erstaunliche Entwicklung - wechselte der Deutsch-Türke doch aus der 2. Liga ins Fußball-Oberhaus.
Wir sprachen mit dem 22-Jährigen über seine Eingewöhnung im Breisgau, das Ruhrgebiet, Gegner Schalke sowie seinen emotionalen Trainer Christian Streich.
Onur Bulut, wie geht es Ihnen in Freiburg? Ich fühle mich sehr, sehr wohl. Nach den ersten zwei Wochen hat es sich so angefühlt, als wäre ich schon seit ein paar Monaten da gewesen. Es ist hier ähnlich wie in Bochum – sehr familiär, nette Jungs, ein gutes Umfeld. Unser Trainer setzt auf junge Spieler und entwickelt sie weiter. Das waren die Hauptgründe, warum ich mich für Freiburg entschieden habe.
Sie haben sich sehr schnell in das Team integriert, haben aber auch gesagt, dass Sie diese Entwicklung überrascht hat. Aus welchem Grund? Es war mein erster großer Wechsel. Ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Es war eine ganz neue Situation für mich: neue Wohnung, weg von der Familie, ganz neue Mannschaftskollegen. Ich kannte niemanden. Irgendwann stand fest, dass auch Janik Haberer kommt. Darüber habe ich mich sehr gefreut, weil ich dadurch eine Bezugsperson in der Mannschaft hatte. Dann kam aber alles viel besser, als ich es mir vorgestellt und erhofft hatte.
Sie mussten Ihre Familie im Ruhrgebiet lassen. War das die größte Herausforderung für Sie? Ich bin ein Familienmensch. Als ich beim VfL gespielt habe, hatte ich zwei Jahre lang eine Wohnung in Bochum. Dann bin ich wieder in meine Heimat Werdohl im Sauerland gezogen. Die 40-minütige Autofahrt habe ich in Kauf genommen, um mein komplettes Umfeld bei mir zu haben.
Es ist ja nicht so, dass ich zwei Meter groß und drei Meter breit bin
Onur Bulut
Sie haben lange in Bochum gespielt und einige Jugendmannschaften des VfL durchlaufen. Hängt Ihr Herz noch am Verein? Ja klar, ich versuche jedes Spiel zu schauen. Dem Verein habe ich sehr viel zu verdanken. Dort hatte ich super Trainer, unter denen ich aufwachsen konnte. Sie haben meinen Charakter und meine fußballerischen Fähigkeiten geprägt. Als ich noch Jugendspieler war, durfte ich in der U23 spielen, damit ich die körperliche Härte kennenlerne. Das hat mir geholfen. Es ist ja nicht so, dass ich zwei Meter groß und drei Meter breit bin (lacht). Ich bin immer ein bisschen schmächtiger gewesen. Das hat sich aber verbessert.
Haben Sie mehr Krafttraining gemacht oder mussten Sie ein bisschen mehr Essen? Beides. In den letzten zwei bis drei Jahren haben wir sehr viel Krafttraining gemacht. Bei Gertjan Verbeek haben wir in der letzten Saison noch eine Schüppe draufgelegt. In Freiburg trainieren wir beinahe jeden Tag Kraft, Stabilisation und Beweglichkeit.
Freiburg spielt als Aufsteiger bisher eine starke Saison. Was machen Sie gut und richtig? In unserer Mannschaft unterstützt jeder jeden. Das ist ein Charakterzug von uns. Und jeder weiß, dass jeder gebraucht wird. Das macht uns aus. Als wir eine schwächere Phase hatten, in der wir zu viele Gegentore bekommen haben, haben wir wieder stärker als Mannschaft agiert.
Momentan ist es so, dass beide Aufsteiger in der oberen Tabellenhälfte stehen. Spielt da die Schwäche der Mannschaften wie Mönchengladbach, Schalke und Wolfsburg in die Karten? Die Bundesliga ist einfach ziemlich ausgeglichen geworden. Es kommt auf viele kleine Einzelheiten an. Wolfsburg hat zum Beispiel eine super Mannschaft, die individuell sehr starke Spieler hat. Es gibt Phasen, in denen es mal nicht von alleine läuft. Da muss man gemeinsam wieder raus. Genau das macht uns wiederum als Mannschaft aus.
Bisher ist die Saison durchaus erfolgreich. 19 Punkte aus 14 Spielen. 40 reichen – so die weitläufige Meinung – zum Klassenerhalt. Wird darüber schon in der Mannschaft geredet? Wir haben neun Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz. Aber die können innerhalb von drei Spieltagen auch eingeholt werden. Deshalb müssen wir diese Marke von 40 Punkten knacken, um das Hauptziel erreicht zu haben. Und nicht mal dann kann man das Tempo rausnehmen, denn dann gibt es andere Ziele. Es geht darum, im TV-Geld-Ranking nach oben zu klettern. Vielleicht kommen dann im nächsten Jahr andere Ziele. Deshalb muss man das für sich persönlich so gestalten, dass man am erfolgreichsten ist.
Schauen wir auf das kommende Wochenende und den Gegner Schalke. Wie nehmen Sie die Königsblauen in dieser Saison wahr? Schalke ist eine kleine Wundertüte. Die Mannschaft wird aber auf längere Sicht Konstanz zeigen. Dort sind sehr viele junge Spieler, die auch oft eingesetzt werden. Ich finde, sie haben oft genug bewiesen, dass sie eine brutale Qualität in der Mannschaft haben. Wenn sie die entfalten können, wird es für uns wahrscheinlich schwierig.
Wie haben Sie Ihren Trainer Christian Streich kennengelernt und wie ist Ihr Verhältnis zu ihm? Er ist ein sehr emotionaler Mensch. Fußballerisch und taktisch hat er enorm viel drauf. Er kann jeden einzelnen Spieler, vor allem die jungen, einen großen Schritt nach vorne bringen.
Auf den Pressekonferenzen hält er mitunter sehr emotionale Reden. Zuletzt hat er sich klar gegen rechte Hetze positioniert. Empfinden Sie es so, dass er die Mannschaft dadurch entlastet, indem er die Aufmerksamkeit ein bisschen auf seine Person lenkt? Ich denke schon, dass er das auch macht, damit von der Mannschaft ein wenig abgelenkt wird. Das kann vor allem dann hilfreich sein, wenn wir mal eine Mini-Krise haben. In erster Linie aber will er den Menschen die Augen öffnen, damit sie sich nicht durch irgendwelche Hetzereien und Pöbeleien beeinflussen lassen. Dass so etwas passiert, ist traurig. Es ist ein sehr schwieriges Thema, dass unser Trainer aber immer wieder anspricht.
Bespricht er das auch mit den Spielern? Nicht vor der kompletten Mannschaft. Es gibt immer wieder Einzel- oder Gruppengespräche mit ihm, in denen darüber gesprochen wird. Er geht aber davon aus, dass alle die Zeitungen lesen und das verfolgen. So ist es ja auch.