Wenn der Vorstands-Chef Karl-Heinz Rummenigge dem Weltmeister Jerome Boateng vor aller Öffentlichkeit vorhält, zu oft abgelenkt und zu wenig geerdet zu sein, wenn also auch einem Spieler mit großem Namen die Leviten gelesen werden, dann weiß man: Beim FC Bayern ist Feuer unterm Dach, alle Rauchmelder schlagen Alarm.
In der Bundesliga und in der Champions-League-Gruppe nur Zweiter zu sein, das halten sie nicht aus in München, wo sie für Gelassenheit so bekannt sind wie Hamburg für Karneval. Früher, als er noch Manager war, hätte vor allem Uli Hoeneß in einer solchen Situation gelitten. Jetzt aber profitiert er von dem aktuellen Stimmungstief.
Keine Diskussion über Verlust der Glaubwürdigkeit
Die Mitglieder werden ihn nach Verbüßung seiner Gefängnisstrafe mit überwältigender Mehrheit wieder zum Präsidenten wählen, beim FC Bayern wird schon lange nicht mehr über den durch Steuerhinterziehung verursachten Glaubwürdigkeitsverlust des früheren Moralpredigers diskutiert. Die als bedrohlich empfundene sportliche Lage lässt ihn noch stärker als Hoffnungsträger erscheinen. Das ist die logische Konsequenz aus der Sehnsucht nach Stabilität, nach Dominanz, auch nach Nestwärme. Für all das steht Uli Hoeneß. Er hat diesen Verein groß und reich gemacht, er hat ihn repräsentiert wie kein anderer, und stets hat er ihn auch vor Angriffen von außen geschützt.
Nach zweieinhalb Jahren kehrt er nun zurück – dass er sein Lebenswerk fortführen wollte, hatte er vor seinem Haftantritt angekündigt. Wird er sich anders geben als früher? Hier und da vielleicht, die schwere Zeit muss ja Spuren bei ihm hinterlassen haben. Aber er wird wissen: Die Bayern wählen ihn heute nicht, weil sie einen bescheidenen Präsidenten wollen. Sondern den Uli Hoeneß, den sie kennen. Der eine lasche Einstellung der Spieler wie in Rostow nicht duldet. Und der einem Emporkömmling wie RB Leipzig die Zähne zeigt.