Völlig entspannt verabschiedet sich Felipe Santana nach dem vereinbarten Interviewtermin mit RevierSport in seine Freizeit. Bevor er später seiner Mutter beim Kisten auspacken helfe, müsse er nochmal kurz nach Dortmund. „Lass´ dich bloß nicht erwischen“, entgegnet ihm ein S04-Mitarbeiter. Beide lachen.
So sieht jemand aus, der überzeugt ist, mit seinem Wechsel von der einen Religion im Revier zur anderen alles richtig gemacht zu haben. Wir sprachen mit dem neuen, dem königsblauen „Tele“ über Trainer Jens Keller, seinen brasilianischen Traum und den Umzug nach Düsseldorf.
Felipe Santana, wie haben Sie Ihre ersten Wochen auf Schalke erlebt? Ich bin positiv aufgenommen worden. Mein Kontakt zu den Fans war von vornherein gut. Ich bin sehr glücklich, wie die Schalke-Fans mit mir umgegangen sind. Sie haben mich mit offenen Armen empfangen. Bis jetzt habe ich gar keine Probleme gehabt. Und ich glaube, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.
Mit welchen Gefühlen haben Sie den Wechsel vollzogen? Ich werde Dortmund immer dankbar sein, für die fünf Jahre, die ich dort verbracht habe. Ich werde den Verantwortlichen und den Fans auch weiterhin Respekt entgegenbringen. Das gehört sich so. Sie haben mir die Möglichkeit gegeben, in Deutschland Fuß zu fassen. Aber das ist Vergangenheit. Ich gehe jetzt einen neuen Weg. Ich bin jetzt Schalker.
Ganz so leicht kommen Sie noch nicht davon. Haben Sie denn in der Kürze der Zeit schon Unterschiede zwischen den beiden Vereinen feststellen können? Beides sind große Klubs, deren Fans sehr mit ihrem Verein leben. Ich kenne natürlich die Rivalität. Über Dortmund muss ich nichts sagen. Aber auch auf Schalke herrscht eine fantastische Stimmung. Das durfte ich beim Abschiedsspiel von Raul zum ersten Mal im königsblauen Trikot in der Arena erleben. Und das wird in der Bundesliga sicher nochmal getoppt. Deshalb freue ich mich schon sehr auf mein erstes Heimspiel gegen den Hamburger SV. Aber es wäre falsch, jetzt einen Vergleich abzugeben. Ich muss Schalke erst einmal richtig kennenlernen.
Sie standen mit dem BVB im Endspiel der Champions League und sind zweimal Deutscher Meister und einmal Pokalsieger geworden. Nach drei Jahren, in denen der BVB stets die Nase vorne hatte, hoffen die S04-Anhänger auf einen erneuten Wechsel der Führungsrolle im Revier. Wie nah ist der FC Schalke 04 sportlich dran an den Schwarz-Gelben? Wir haben eine richtig gute Mannschaft mit vielen jungen und talentierten Spielern. Als ich nach Dortmund kam, war es damals auch so. Ich hoffe, dass wir eine ähnliche Entwicklung nehmen können wie der BVB seinerzeit. Warum sollte uns das nicht gelingen? Das Potenzial dazu ist da. Ich werde auf jeden Fall alles dafür tun, um meinen Teil dazu beizutragen, die Schalker Fans glücklich zu machen.
Sie sind nach Gelsenkirchen gewechselt, weil sie sich mehr Einsatzzeiten im Hinblick auf ihr großes Ziel, die WM 2014 in ihrer Heimat Brasilien, erhoffen. Wie nah ist dieses Ziel für Sie? Leider musste ich in der Vorbereitung verletzungsbedingt zwischendurch etwas kürzer treten und konnte gegen Besiktas Istanbul und Southampton nicht mitspielen. Aber jetzt bin ich wieder fit und hoffe, dass das so bleibt, damit ich hier eine starke Saison spielen kann. Ich habe immer gesagt, dass ich hier keine Stammplatzgarantie habe. Dessen bin ich mir bewusst. Aber ich werde um meinen Platz in der Mannschaft kämpfen.
Und wenn Ihnen am Ende der Vorbereitung dasselbe Schicksal droht wie in Ihrem alten Klub? Das ist für mich kein Problem, auch mal auf der Bank zu sitzen. Aber in Dortmund habe ich für mich keine Perspektiven mehr gesehen. Ich bin auch Jürgen Klopp dankbar. Aber, egal wie gut ich gespielt habe, wenn ich mal zum Einsatz kam, sobald Neven Subotic oder Mats Hummels einsatzbereit waren, blieb für mich wieder nur der Platz auf der Bank. Ich konnte das mit meiner eigenen Leistung nicht mehr beeinflussen. Um mich weiterentwickeln zu können, muss ich aber auch mal eine längere Zeit durchspielen. Es bleibt mein großer Wunsch, das auf Schalke zu erreichen. Deshalb freue ich mich über diese neue Chance.
Beim Testspiel in Aachen hat Sie Trainer Jens Keller nach einem Fehler, der zu einem Gegentor geführt hat, ungewohnt hart öffentlich kritisiert. Haben Sie sich zu sehr unter Druck gesetzt? Wir haben uns danach unterhalten. Es war ein sehr positives Gespräch. Er hat mir gesagt, dass ich mich durch so einen Fehler nicht beirren lassen soll, weil er gesehen hat, dass ich mich darüber sehr geärgert habe. Denn so ein Fehler passiert mir nicht oft. Jens Keller gibt mir ein gutes Gefühl, dass ich es hier schaffen kann. Er weiß, was ich kann. Aber natürlich habe ich auch auf Schalke eine große Konkurrenz. Das wollte ich jedoch auch so, sonst kannst du nicht dein bestes Niveau abrufen.
Haben Sie eigentlich Kontakt zu Brasiliens Nationaltrainer Felipe Scolari? Wir hatten bislang keinen direkten Kontakt. Aber nach meinem Tor gegen den FC Malaga im Viertelfinale der Champions League gab es aus seinem Umfeld Signale, dass er mich beobachtet. Das ist so. Sobald du in der Champions League spielst, wird der Verband auf dich aufmerksam. Wenn du aber nicht bei einem der großen Vereine in der Champions League spielst, hast du keine Chance. Dafür gibt es zu viele gute Spieler in Brasilien. Es liegt jetzt an mir, ihn zu überzeugen.
Sind deshalb für Sie persönlich die anstehenden Qualifikationsspiele zur Champions League mit dem S04 noch wichtiger als für die anderen Spieler? Jeder Fußballer will Champions League spielen. Das werden die wichtigsten Spiele für den gesamten Verein. Wenn Schalke das wieder schafft, ist das ein Schub für uns alle. Dann können wir uns wieder mit den Besten messen. Das wird uns als Team weiter nach vorne bringen. Aber klar, das ist auch für mich wichtig.
Wie ist das eigentlich, wenn Sie nach dem Training zurück in ihre Wahlheimat nach Dortmund fahren. Bekommen Sie dann Ärger von ihrer Mutter, weil ihr Sohn nicht mehr beim BVB spielt? Meine Mutter ist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Sie ist bei mir, um mir zu helfen und immer Fan von dem Verein, wo ihr Felipe spielt. Sie war beim Abschiedsspiel von Raul zum ersten Mal in der Arena und war total begeistert. Aber ich habe meine Wohnung in Dortmund auch inzwischen aufgegeben und bin nach Düsseldorf gezogen. Ich wollte einen totalen Neuanfang.