Am Dienstag nächster Woche wird Jens Keller genau 100 Tage als Schalkes Cheftrainer im Amt sein. Dem Fußballlehrer wird die an sich kurze Zeit wie eine Ewigkeit vorgekommen sein, so wie er von der ersten Sekunde an unter Beschuss stand. Was er von der Medienlandschaft rund um Schalke hält und wie er sich die Zukunft im Klub vorstellt, verrät er im folgenden Interview.
Jens Keller, nach 100 Tagen ist oft ein guter Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen. Wie würden Sie die ersten gut drei Monate aus Ihrer Sicht bewerten?
Ich denke, dass wir auf einem ganz guten Weg waren, aber die letzten beiden Spiele unglücklich gespielt haben. Ansonsten haben wir gut gearbeitet und man hat den Fortschritt der vergangenen Wochen gesehen. Ich bin zufrieden, aber natürlich nicht mit den letzten zwei Ergebnissen.
Unter anderem bei Politikern werden die ersten 100 Tage als Schonfrist angesehen und man bildet sich erst danach ein erstes Urteil über die Person. Bei Ihnen ist es ganz anders gewesen!
Es wurden leider vor allem am Anfang viele Dinge geschrieben, die unschön waren und nicht der Wahrheit entsprachen. Man hat mir gar keine Chance gegeben, erst einmal in Ruhe mit der Mannschaft zu arbeiten. Nach dem traumhaften Sieg gegen Dortmund war auf einmal all das unglaublich gut, was ich gemacht habe, was vorher katastrophal schien. Jetzt wird schon wieder ein bisschen angefangen mich zu kritisieren, da war das Positive vielleicht doch nur ein Strohfeuer. Insgesamt ist es ein Wahnsinn, wie ich in der Öffentlichkeit beurteilt werde.
Liegt das an Ihnen oder ist das ein spezielles Schalke-Problem?
Das kann ich nicht sagen, ob das ein Schalke-Problem ist. Medial ist es sicher nicht so einfach hier.
In Stuttgart, war es da ähnlich?
Das war eine andere Situation, dort war ich vorher Co-Trainer. Aber in den Wochen als Cheftrainer war es natürlich lange nicht so extrem wie hier, das stimmt schon.
Lesen Sie eigentlich Zeitung oder darin nur den Sportteil nicht? Das habe ich mir relativ schnell abgewöhnt...
Es gibt Trainer, die entweder alles gucken, lesen und sammeln was über sie geschrieben wird, sogar in Ordner abheften und drei Jahre später noch wissen, was wann wer geschrieben hat. Und es gibt die, die sagen, sie lesen keine Zeitung und haben dann den Google-Alert auf ihren Namen laufen und kriegen alles mit!
Noch einmal, ich gehöre nicht zu denen. Das Problem ist, dass man immer auf solche Geschichten angesprochen wird. Ich bin seit 20 Jahren im Profifußball tätig und habe dort genügend Leute getroffen, die Ahnung vom Geschäft haben und meinten: Das ist ja unglaublich, was die hier mit dir machen.
Haben Sie sich denn die Kritik so krass vorgestellt? Das ging ja schon nach dem Aus im Pokal gegen Mainz los. Nach dem 0:5 im Trainingslager in Katar gegen die Bayern war der Keller im Grunde ja schon durch...
Wir müssen das mit Mainz mal langsam aufrollen. Ich habe die Mannschaft zwei Tage betreut und wenn man gesehen hat, wie sie in der zweiten Halbzeit gespielt hat, da war doch ein großer Unterschied zu den vorherigen Wochen zu erkennen. Dennoch wurde alles direkt negativ dargestellt. So ging es dann weiter. In Katar spielen wir teilweise mit A-Jugendspielern ein Testspiel gegen die Übermannschaft in Deutschland und fangen uns ein 0:5, was sich erst einmal heftig anhört, aber in der Vorbereitung geht es eben auch darum, einige Dinge auszuprobieren. Wie damit in den Medien umgegangen wurde, war schlichtweg eine Frechheit. Mal wurde gesagt, wir tun zu wenig, andere Zeitungen schrieben, wir trainieren zu viel. Das war Wahnsinn, ich konnte machen, was ich wollte, alles war falsch.
Haben Sie in der Zeit mal dran gedacht, dass es die falsche Entscheidung war, den Job bei den Profis anzunehmen?
Nein, überhaupt nicht. Wer mich kennt, weiß schließlich, dass ich schon als Spieler ein Kämpfer war. Da zieh ich einen Helm auf und gehe durch.
Also haben Sie die Lust an der Arbeit nicht verloren?
Nein, überhaupt nicht. Die Arbeit an sich macht ja auch Spaß, mit den Jungs ist es immer wieder eine Freude. Ich glaube, sie sehen das ganz ähnlich. Was in der Öffentlichkeit erzählt oder geschrieben wird, muss man dann ausblenden. Man liest zwar nicht gerne in der Zeitung, was man nicht kann, aber ich wusste auch, dass viele Dinge einfach gelogen waren. Die Energie, dass ich mich über all die Mediengeschichten aufrege, verschwende ich nicht.
Ein Punkt, der immer wieder genannt wird, ist Ihre angeblich fehlende Ausstrahlung. Können Sie damit etwas anfangen?
Nein! Wenn sich die Leute, die das behaupten, besser informiert hätten, würden sie so etwas nicht sagen oder schreiben. Als Spieler war ich fast überall Kapitän oder zumindest im Mannschaftsrat. Wer keine Ausstrahlung, keine Meinung, keine Idee hat, wird wohl kaum Führungsspieler oder Trainer bei einer großen Mannschaft.
Ist es denn im Bundesligageschäft nicht so, dass man nicht nur Fachmann im Fußball sein muss, sondern ein gewisser Showteil dazu gehört?
Es gibt Trainer, die das machen, aber ich gehöre nicht dazu. Als Spieler bin ich nicht auf den Zaun gesprungen, wenn ein Tor fiel, sondern war eher sachlich. So bin ich auch als Trainer.
Wie dürfen wir uns Sie in der Kabine vorstellen, zum Beispiel in der ersten Halbzeit eines Spiels wie gegen Galatasaray Istanbul, in dem es nicht gelaufen ist? Werden Sie auch mal laut oder pflegen Sie eher die leise Ansprache?
Es kommt darauf an, warum es nicht gelaufen ist, ob es taktische Dinge sind, die man umstellen kann oder es die Einstellung ist. Ich werde sicherlich auch mal lauter, aber wenn man verschiedene Dinge umstellen muss, dann bleibt es sachlich.
Auf der nächsten Seite: Jens Keller über seine Zukunft als Trainer