Ob Jürgen Klopp sich die Worte während seiner schlaflosen Stunden in der Nacht von Samstag auf Sonntag zurecht gelegt hatte, das ist nicht bekannt. Als er am Sonntag nach dem Auslaufen seiner Mannschaft vor die wartenden Kameras trat, präsentierte er sich aber einmal mehr in Bestform. „Das wird ‚Mia san mia‘ gegen ‚Wir sind Fußball‘. Das wird hochspannend“, sagte er und meinte damit - natürlich - das Spiel der Spiele. Das Gipfeltreffen am Mittwoch gegen den FC Bayern.
Natürlich, weil Fußballdeutschland seit Samstag, 17.20 Uhr ohnehin kein anderes Thema mehr kennt. Dass der BVB in Wolfsburg 3:1 gewonnen hatte - längst vergessen. Dass die Schwarz-Gelben zwischenzeitlich gezittert und ihre komfortable Führung fast noch verspielt hätten - ebenfalls. Genauso, dass die Bayern sich nur zu einem 2:1-Sieg gegen Aufsteiger Augsburg gemüht hatten.
Zwar bemühte sich BVB- und Liga-Boss Reiner Rauball, etwas Druck von Kessel zu nehmen und sagte: „Am Mikrofon gewinnt man keine Punkte“, doch war das vergebliche Liebesmühe. Es ist schließlich eine ganze Armada von Kamera- und Radioteams, von schreibenden und sendenden Journalisten, die seit dem Samstag auf die Akteure der Kontrahenten lauert. Jeder Spieler, jeder Verantwortliche muss seine Einschätzung abgeben zum Spitzentanz am Mittwoch. Zu dem Spiel, in dem die Entscheidung um die Deutsche Meisterschaft fallen kann. Denn unterliegen die Bayern beim Titelverteidiger, dann könnten sie wohl alle Meisterschaftsträume beerdigen.
„Wir stehen mehr unter Druck als Dortmund, weil wir drei Punkte Rückstand haben“, weiß auch der Vorstandsvorsitzende des FCB, Karl-Heinz Rummenigge, der deswegen fordert: „Wir dürfen auf keinen Fall verlieren.“ Dass die Bayern deswegen verkrampfen ist allerdings kaum zu erwarten. Über Jahrzehnte haben sie sich schließlich dieses berühmte Sieger-Gen antrainiert, das in der Vergangenheit gerade in Spielen wie dem am Mittwoch den Ausschlag gab. „Die Psyche wird entscheiden“, kündigte Bastian Schweinsteiger schon einmal vorsorglich an. „Jeder Spieler muss über sich hinauswachsen.“ Und so wie er es sagte, war jedem Zuhörer klar, was er meinte: Der Sieger kann nur aus München kommen.
Doch gerade die letzte Saison hart gelehrt, dass der BVB inzwischen in Sachen Nervenstärke mindestens gleichgezogen hat. Zweimal schlugen sie damals die Bayern, der dritte Streich folgte in dieser Hinrunde. Am 19. November war das, die Bayern schienen locker Richtung Meisterschaft zu spazieren, vor dem Duell hatten sie fünf Zähler Vorsprung auf die Borussia. Doch dann kam Mario Götze, schoss Dortmund zum 1:0-Sieg und brachte mit seinem Treffer auch die Gewissheit zurück, erneut Großes leisten zu können. Dass der Youngster vermutlich auch am Mittwoch noch fehlen wird, war am Wochenende allerdings kein großes Thema in Dortmund. Auch das zeigt wie groß das Selbstvertrauen dort ist. Aus der Ruhe bringen kann die Klopp-Elf nichts mehr.
Dennoch ist es beim BVB ein Tabu über mögliche Konsequenzen eines Sieges zu philosophieren. Zwar wurde am Samstag noch schnell die eine oder andere Spitze in Richtung München abgefeuert, seitdem aber herrscht Funkstille. „In dem Moment, in dem das Spiel angepfiffen wird, interessiert und die Ausgangslage sowieso nicht mehr“, versichert Jürgen Klopp. Wohlwissend, dass die für die Bayern nur bedingt gilt. Sie müssen gewinnen. Ohne wenn und aber.
Der Vorfreude tut dies aber auch beim Rekordmeister keinen Abbruch. „Das wird ein Fußballfest für alle Fußballfreunde“, sagte Christian Nerlinger vor der Abreise nach Dortmund noch. Ausnahmsweise konnte dem Bayern-Manager nicht widersprochen werden.