Mit Heiko Bonan und Hendrik Herzog verschlug es zwei Kicker nach ihrer Zeit im Osten beim BFC Dynamo Berlin ins Revier. RS sprach mit ihnen über die unterschiedlichen Erwartungshaltungen in Ost- und Westdeutschland und ihre persönliche Erfahrungen vor und nach der Wende
Heiko Bonan, Hendrik Herzog, wie war es damals als Fußballprofis in der DDR?
Bonan: Wie man hinter der Mauer gelebt hat, hing natürlich immer von der eigenen Lebensgeschichte ab. Ich als Fußballer hatte zum Beispiel nie Probleme mit der Stasi und eine gute Schulausbildung. Außerdem konnte man auch mal ins Ausland. Die DDR hat versucht, sich über den Sport einen gewissen Ruf in der Weltöffentlichkeit zu erarbeiten. Wir Leistungssportler hatten Vergünstigungen. Ich war in einem Fußballinternat, in dem Schule und Sport gleichzeitig organisiert wurden, wie man es eben auch aus der heutigen Zeit kennt.
Herzog: Uns ging es gut im Osten. Wir haben überdurchschnittlich verdient. Das war auch bei anderen Ostvereinen so. Bei Stahl Brandenburg hat man teilweise sogar noch mehr Geld verdient. Als Leistungssportler kam ich dank meines privilegierten Status schnell an Autos und Wohnungen. Ich habe als Junggeselle alleine in einer Zwei-Zimmer-Wohnung gelebt. Neben mir wohnte eine einfache Familie mit einem Kind. Die hatten nur ein Zimmer. Das muss man sich mal vorstellen. Der Nachteil war natürlich, dass wir keinen Urlaub machen konnten, aber dafür sind wir als Fußballer ins Ausland gereist, für WM-Qualifikationsspiele mit der U23 oder zu Testspielen. Heftig war der ständige Leistungsdruck. Der war im Osten sicherlich höher als im Westen. Wer nicht voll mitgezogen hat, war schnell weg vom Fenster.
Der BFC Dynamo galt besonders priviligiert, weil er der Lieblingsklub von Stasi-Chef Erich Mielke war. Wie hat sich das bemerkbar gemacht?
Herzog: Es stimmt, dass der BFC von Erich Mielke offen unterstützt wurde, aber damals haben wir uns keine Gedanken darüber gemacht. Der Mielke saß irgendwo ganz oben auf der Tribüne, aber gesehen haben wir den nie. Wir haben einfach Fußball gespielt und hatten eigentlich keine Berührungspunkte mit der Stasi, das dachten wir zumindest. Im Nachhinein hat man aber mitbekommen, dass der Mannschaftsbetreuer zum Beispiel von der Stasi war und uns kontrolliert hat. Nach einem Abend in der Disco wusste der genau, wer wie viel und was getrunken hat.
Wie haben sie den 9. November 1989 erlebt?
Bonan: Die Wende habe ich damals eigentlich genauso erlebt, wie jeder andere auch. Zwar war ich nicht auf Demonstrationen, aber das ganze war eine Riesenveränderung, die wir natürlich alle begrüßt haben. Für meine Generation war das eine große Chance.
Herzog: Als die Mauer gefallen ist, war ich gerade in der Sportschule Leipzig und habe im Radio davon erfahren, später erste bewegte Bilder im TV gesehen. Am Tag darauf sind wir allerdings mit der U21 nach Österreich geflogen und hatten dort ein Qualifikationsspiel, parallel zur A-Elf, die drei Tore von Toni Polster eingeschenkt bekommen hat. Am Tag nach dem Qualifikationsspiel sind wir zurückgeflogen, haben uns West-Berlin angeguckt und sind zum Kudamm gefahren – das waren sehr emotionale Momente. Da wurde uns das erste Mal bewusst, was eigentlich passiert ist . Der Fußball wurde für die Spieler schnell zur Nebensache. Manche Spieler, wie unter anderem Marco Köller sind am darauffolgenden Tag gar nicht mehr beim Training erschienen. Später erfuhren wir dann, dass Marco beim MSV Duisburg einen Vertrag erhalten hatte.
Den Schritt in den Westen haben auch Sie nach der Maueröffnung vollzogen. Welche Unterschiede konnten Sie speziell im Fußball zwischen Ost und Westdeutschland feststellen?
Bonan: Die Unterschiede waren enorm, im Westen war es komplett anders. Auf einmal konnte man viel mehr verdienen als seine Mitspieler, sodass auch ein gewisser Druck entstand. Das war in der DDR, unabhängig vom Niveau, nicht so. Dort konnte man sich nur über internationale Einsätze etwas dazu verdienen. Wir hatten im Vergleich zur Bundesrepublik ja auch kaum Erfolge vorzuweisen, aber hatten auch eine super Ausbildung genossen. Allerdings stand in der DDR das Kollektiv im Vordergrund, sodass uns nicht die Möglichkeit gegeben wurde, die Persönlichkeit weiter zu entwickeln. Die ist im Fußball nun mal eben wichtig, da braucht man Typen.
Herzog: Als Ossi bekam man natürlich öfter Sprüche von den Kollegen gedrückt, dass man sich doch erstmal mit einer Banane zufrieden geben sollte, aber darüber haben wir in der Kabine gelacht. Auf der Straße war es etwas anders. Wenn ich da auf die übliche Standardfrage nach der Wende, wo man denn herkomme, mit Ost-Berlin geantwortet habe, guckte man mich immer an,... von wegen „Oh, das arme Schwein!“. Erst als ich erzählt habe, dass ich der Herzog vom S04 sei, gingen die Leute anders mit mir um.
Würden sie den Wechsel zum FC Schalke 04 im Nachhinein als richtig einstufen?
Herzog: Bei Schalke hatte ich richtig Spaß, zusammen mit Steffen Freund, der von Stahl Brandenburg zu den Knappen gewechselt war. Der Trainer, der Jugoslawe Aleksandar Ristic, war zwar ein sehr schwieriger Typ, aber auch ein Fuchs. Nie hat er mit mir geredet, aber gespielt habe ich immer. Im Trainingslager haben ständig alle über das Pensum gemeckert, außer der Steffen und ich. Das Training im Osten war halt viel härter als im Westen, damals. Mittlerweile ist das natürlich nicht mehr so.
An welchen Moment nach der Wende erinnern Sie sich heute noch besonders gern?
Herzog: An mein erstes Bundesliga-Spiel am 1. Spieltag der Saison 1991/1992 gegen den HSV. Ich hatte mir zu DDR-Zeiten immer das Ziel gesteckt, in der Oberliga zu spielen. Da hatten wir immer 3.000 bis 4.000 Zuschauer. Und dann bin ich im vollen Parkstadion vor 54.000 Menschen aufgelaufen, das war phänomenal!