Nach der zweiten Demütigung in nur fünf Tagen mahnte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge "bei aller Emotion, jetzt Ruhe zu bewahren". Doch nach dem 0:1 (0:1) im DFB-Pokal-Halbfinale nimmt die Lage bei Bayern München immer bedrohlichere Ausmaße an. Bei einem Misserfolg am Samstag (15.30 Uhr/Sky und Liga total!) in Hannover droht eine Explosion. Dann dürften auch die Tage von Trainer Louis van Gaal beim deutschen Fußball-Rekordmeister gezählt sein. Dagegen gelang Felix Magath und seinen Schalkern mit einem starken Torwart Manuel Neuer, der trotz übler Anfeindungen der Bayern-Fans die Nerven bewahrte, der erhoffte Befreiungsschlag.
"Die Partie in Hannover ist vielleicht das wichtigste Spiel der ganzen Saison. Da geht es um Alles, nämlich um Platz zwei", sagte Bayern-Kapitän Philipp Lahm und fügte völlig zerknirscht an: "Diese Saison ist schwer zu retten. Wenn der FC Bayern nicht Meister und Pokalsieger wird, dann ist es keine gute Saison." An einen Triumph in der Champions League glauben derzeit selbst die größten Optimisten nicht mehr.
"Jetzt ist es eine sehr gefährliche Situation"
Auch Sportdirektor Christian Nerlinger war restlos bedient, nachdem die Mannschaft wohl auch die letzte Titelchance leichtfertig verspielt hatte. "Druck lastet ja immer auf dem FC Bayern. Aber jetzt ist es eine sehr gefährliche Situation. Mann muss sich nur die Tabelle anschauen: Dass wir um den zweiten Platz so hart kämpfen müssen, das ist ungewöhnlich für uns", sagte er. Rummenigge forderte, "dass wir in Hannover Reaktion zeigen müssen, um da hinzukommen, wo wir hinwollen."
Bei einer Niederlage in Hannover würden die Bayern bereits fünf Punkte hinter den Niedersachsen liegen. Sollte dann auch noch Leverkusen gegen Wolfsburg gewinnen, würde der Rückstand bei neun ausstehenden Bundesligaspielen bereits sieben Zähler auf Platz zwei betragen. Schon im Januar hatte Präsident Uli Hoeneß mit Konsequenzen gedroht, "wenn ich spüre, dass die Qualifikation für die Champions League in Gefahr ist". Und die wäre dann massiv in Gefahr.
Für die Münchner wäre eine Saison ohne Königsklasse der GAU - besonders in der kommenden Spielzeit, da ausgerechnet 2012 das Finale in München stattfindet. Am 27. April 2009 entließen die Bayern in einer ähnlich prekären Lage Jürgen Klinsmann. Jupp Heynckes sicherte immerhin noch Platz zwei.
Van Gaal gibt sich jedoch (noch) gelassen. "Dass weiß ich auch, dass dann Fragen gestellt werden, wenn man zweimal hintereinander so wichtige Spiele verliert. Das ist doch immer so", sagte der Niederländer. Und außerdem könne der FC Bayern "noch viel gewinnen. Wir werden alles dafür tun, um das zu schaffen. Ich werde weiter meine Arbeit machen, und die mache ich gut. Letztendlich entscheidet der Vorstand."
Wie lange die Bayern-Bosse angesichts der verkorksten Situation und erster Vorbehalte aus der Mannschaft gegen den Coach aber noch die Ruhe bewahren, wie von Rummenigge gefordert, bleibt abzuwarten. Zumal ihnen nicht entgangen sein dürfte, dass dem Münchner Starensemble jegliche Stabilität fehlt und die Offensiv-Philiosophie des Trainers zuletzt immer seltener greift. Ein Triumph in der Champions League, die den Bayern wohl die letzte Titelchance in dieser Saison bietet, scheint unter diesen Vorsätzen utopisch.
Wir haben überhaupt keine Lösung gefunden
Gerade gegen geschickt verteidigende Teams finden die Bayern kaum Mittel. Dortmund beim 3:1 am Samstag und nun Schalke demonstrierten eindrucksvoll, wie man die Bayern stoppt. Beide Klubs "doppelten" die Superstars Arjen Robben und Franck Ribéry - und schon war es um die Bayern-Herrlichkeit geschehen. "Wir haben überhaupt keine Lösung gefunden", sagte Lahm.
Auch die Defensive, in der sich diesmal Breno für Nationalspieler Holger Badstuber versuchen durfte, konnte zum wiederholten Mal in dieser Saison die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Bezeichnend war auch der entscheidende Treffer durch Schalkes Torjäger Raúl in der 15. Minute, als der erneut schwache Bastian Schweinsteiger und Anatoli Timoschtschuk nach einem Eckball ein Nickerchen hielten. Umso erstaunlicher war der Erklärungsversuch von van Gaal für den Kopfballtreffer des Spaniers und das Fehlverhalten seiner Stars: "Wir haben eben eine kleine Mannschaft. Schweinsteiger ist fünf Zentimeter kleiner als sein Gegner."
Umso größer war dafür der von Bayern umworbene Manuel Neuer, der von Beginn an von den Münchner Fans auf das Übelste beschimpft wurde. "Der Junge hat dem FC Bayern nichts getan. Ich muss mich im Namen des FC Bayern bei Manuel Neuer entschuldigen", sagte Rummenigge. Deutschlands Nummer eins blieb aber auch nach dem Spiel wie in den 90 Minuten zuvor völlig cool: "Für mich ist es wichtig, nicht auf Transparente, sondern auf den Ball zu schauen. Wir haben das Finale erreicht. Alles andere interessiert mich nicht."