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Hoffenheim: Erster Essener Fanclub bejubelt Herstmeisterschaft
Von Doppelherzen, Bierlaunen und Titelträumen

Hoffenheim: Erster Essener Fanclub bejubelt Herstmeisterschaft
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„Ho-Ho-Hoffenheim, Ho-Ho-Hoffenheim“ – Nein, wir befinden uns nicht etwa im kleinen Sinsheimer Ortsteil, der Wiege der TSG, sondern im verregneten Essener Stadtteil Freisenbruch - genauer gesagt:

in der Ruhrgebiets-typischen Eckkneipe „Brinkhoff’s Treff“ von Wirt Harald Grohnert. Hier, an diesem unscheinbaren Fleck zwischen alten Reihenhäusern und fern jeder Dorfidylle, entstand im März 2008 der erste Essener Fanclub der Hoffenheimer: der "Fanclub Essen-Ruhr TSG 1899 Hoffenheim".

Gemeinsam mit Inhaber Grohnert und drei weiteren Stammgästen des „Treffs“ entschied sich Günter Gehlker damals, die Liebe zum Team von Ralf Rangnick in einer Satzung festzuschreiben. „Es ist aus einer Bierlaune heraus entstanden“, macht der heutige Fanclub-Präsident keinen Hehl aus den Umständen der Geburtsstunde des Clubs, die bis heute zahlreiche Blüten getragen hat: „Vor der Partie beim VfL Bochum war beispielsweise der Hoffenheimer Fanbeauftragte Mike Diehl bei uns zu Gast und war so begeistert von uns, dass er uns alle zur Stadioneinweihung im nächsten Jahr eingeladen hat.“

Bis dahin ist allerdings noch Zeit. Und das ist auch gut so, denn an diesem denkwürdigen 14. Dezember soll erst einmal ein weiterer glorreicher Etappensieg des Überraschungs-Aufsteigers gefeiert werden: die Herbstmeisterschaft in der Fußball-Bundesliga.

Es ist 16.33 Uhr. Während sich im Mannheimer Carl-Benz-Stadion gerade die Torhüter der TSG und des Gegners Schalke 04 den Platz zum Warmmachen betreten, füllt sich auch die dunkle, vom Zigarettenqualm vernebelte Gaststätte. Von Minute zu Minute strömen mehr in blau und weiß gekleidete Männer und Frauen in die Gaststätte, die ihre Gäste mit einem selbst gemachten Plakat begrüßt: „Hoffenheim hat keine Gegner mehr, schickt uns Inter Mailand her.“ Es scheint, als könnten 1899-Coach Rangnick und Mäzen Dietmar Hopp noch so oft tiefstapeln wie sie wollen. Hier im Herzen des Ruhrgebiets hat längst jeder verstanden, wohin die Reise der TSG führt: nach Europa, und zwar ohne Umwege.

Um 16.55 Uhr, wenige Minute vor dem Anpfiff der Partie gegen den FC Schalke, ist auch das letzte der aktuell 43 Fanklub-Mitglieder eingetroffen. Die Spannung steigt – endlich kann es losgehen.

Mit dabei ist auch Frank Dreesen. Der 48-jährige Schwertransport-Fahrer ist eines der Gründungsmitglieder des Fanclubs, seine Frau Michaela und sein Sohn Marc sind ihm inzwischen gefolgt, nur Dreesens 20-jährige Tochter Vanessa ziert sich noch: „Die ist durch und durch Schalkerin“ – und daher natürlich nicht im „Brinkhoff’s Treff“. Wie bei so vielen hier im Raum schlagen auch in Dreesens Brust mindestens zwei Herzen.

„Hoffenheim spielt einfach attraktiven Fußball, der nach vorne geht. Die verstecken sich nicht, haben keine Angst vor niemandem“, begründet der Familienvater seine Liebe zum Dorf-Club, bevor er gesteht: „Vorher galt die Liebe Rot-Weiss Essen, und mein halbes Herz schlägt natürlich immer noch für den Club.“

Andere Fanclub-Mitglieder waren vorher Schalker, sind es zum Teil immer noch, und wissen gegen Schalke nicht so recht, für wen sie jubeln sollen.

Solche Probleme sind Markus Hanen dagegen völlig fremd. Der 43-Jährige ist mit jeder Faser seines Körpers Schalker – und entsprechend der einzige, der lauthals den Führungstreffer von Gerald Asamoah kurz vor der Pause bejubelt.

Doch was führt einen Schalker in eine Hoffenheim-Fankneipe? „Ich gehe hier seit Jahren hin, wohne direkt um die Ecke und bin Stammgast – warum sollte ich wegen eines Fußballvereins wechseln“, zuckt Hanen nur mit den Schultern, bevor er süffisant nachschiebt: „Und überhaupt, wer sollte mir hier denn gefährlich werden? Die sind doch alle über 100…“

Na ja, ganz so hoch liegt der Altersschnitt des Fanklubs zwar nicht, aber es fällt auf, dass sich die ältere Generation scheinbar eher vom Virus „1899“ infizieren lässt. So auch Hans ten Eikelder, der mit 84 Jahren älteste Fan im „Brinkhoff’s Treff“.

Die Gründe für seine im Frühling entdeckte Liebe zum Dorfklub sind schnell erzählt: „Ich habe jahrzehntelang die Geschickte der Ruhrpott-Mannschaften verfolgt. Aber jetzt möchte ich endlich auch mal wieder schönen Fußball genießen. Und das geht eben am Besten bei der TSG.“

Wie zum Beweis dieser momentan nicht allzu gewagten These zwirbelt nur wenig später der eingewechselte Selim Teber das Leder über die Schalker Mauer und hinein in den Kasten von S04-Keeper Manuel Neuer.

„Ho-Ho-Hoffenheim, Ho-Ho-Hoffenheim“, schallt es wieder durch die 50 prall gefüllten Quadratmeter der Gaststätte, aber auch: „Jetzt kann der Schiri abpfeifen.“ Man ist in Geberlaune beim „Fanklub Essen-Ruhr“, schließlich reicht auch ein Punkt gegen neun nur noch auf Defensive eingestellte Schalker zur Herbstmeisterschaft.

Und dann ist es tatsächlich so weit. Um 18.50 Uhr schaut Schiedsrichter Peter Gagelmann kurz auf die Uhr und besiegelt dann mit seinem Schlusspfiff Platz eins für die TSG. Sofort greift Wirt Grohnert zur Fernbedienung, dreht den Ton des Fernsehers ab und stimmt das Hoffenheim-Lied an. Die Kneipe bebt – und schon jetzt weiß man: dieser Abend wird lang.

„Ich habe morgen Mittagsschicht“, freut sich einer der euphorisierten Fans, bevor er sich ein weiteres Pils bestellt, nur Schalke-Fan Hanen trottet enttäuscht von dannen. Für ihn gibt es heute nichts mehr zu feiern…

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