Es war der erste Spieltag der Saison 1947/48, der erste Spieltag der neugegründeten Oberliga-West, an dem sich dies ereignete und folglich schoben sich die Schwarz-Roten durch den Kantersieg an die Tabellenspitze. Die Erkenschwicker waren der allererste Spitzenreiter in der neugeründeten höchsten Deutschen Spielklasse.
Der Aufschwung der „Stimberg-Knappen“ hatte freilich schon einige Jahre zuvor begonnen. Trainiert von Ernst Kuzorra, der zeitgleich seine Schuhe auch noch für den FC Schalke 04 schnürte, hatten die „Knappen“ bereits während des Zweiten Weltkriegs den Aufstieg in die Gauliga, die damals höchste westdeutsche Spielklasse, geschafft und diesen Höhenflug konnten die Schwarz-Roten auch über das Kriegsende hinausretten. Als in Oer-Erkenschwick alles zusamenbrach, da waren es die Fußballer, die für Abwechslung, Ablenkung und Hoffnung sorgten.
Schon zu dieser Zeit war der bestimmende Spieler bei den „Knappen“ Julius „Jule“ Ludorf gewesen, der bereits im Alter von 16 Jahren den Sprung in die erste Mannschaft geschafft hatte und der die SpVgg auch beim 5:0-Sieg in Aachen auf den Platz führte. Dabei war die Anreise beschwerlich gewesen. Die britische Verwaltung hatte Busfahrten am Wochenende verboten, einen Bahnhof gab (und gibt) es in Oer-Erkenschwick nicht. So musste die Manschaft schon am Vortag mit der Straßenbahn nach Recklinghausen fahren, von da aus mit der Bahn weiter nach Aachen, wo in einem alten Bunker übernachtet wurde. Der Weg zum Stadion am Tag danach wurde zu Fuß zurückgelegt.
Legendär in Erkenschwick ist bis heute aber auch noch die Rückfahrt nach Erkenschwick. Der damalige Torhüter Heinz Cichutek berichtete, dass auf der Rückfahrt ein Polizist in das Abteil der siegestrunkenen Erkenschwicker stürmte und begeistert schrie: „Jungens – euch gehört der Himmel.“ Und in der Tat: In der Folge wurde die Spielvereinigung in der Sportpresse nur noch die „Himmelstürmer“ gerufen.
In der Nacht nach dem Aachen-Spiel wurde aber erst einmal gefeiert. Auf einem Zwischenstopp in der Düsseldorfer Altstadt wurden die Einnahmen der Partie verprasst - aber dennoch: Am nächsten Morgen war die Mannschaft wieder zurück in der Heimat. Neun von elf Spielern mussten schließlich pünktlich zur Morgenschicht wieder auf der Zeche Ewald-Fortsetzung sein.
Die Ernüchterung kam allerdings bereits am zweiten Spieltag. Im heimischen Stimberg-Stadion unterlagen die „Knappen“ mit 1:5 gegen Rot-Weiß Oberhausen. Zweifel setzten ein. War der Sieg in Aachen wohmöglich nur ein Strohfeuer? Von wegen: Am dritten Spieltag ließen die Schwarz-Roten am 4. Oktober 1947 einen 2:1 Sieg bei Altmeister Schalke 04 in der „Glückauf-Kampfbahn“ folgen. „Jule“ Ludorf und „Sigi“ Rachuba trafen. Es war die erste Heimniederlage für die Königsblauen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gewesen.
Endgültig zu Idolen wurden somit „Jule“ Ludorf, einer der besten Kicker im Nachkriegsdeutschland, und „Sigi“ Rachuba, der 1949 ausgerechnet zum größten Rivalen der Erkenschwicker Preußen Münster wechselte.
Im Alltag war von Heldenverehrung aber nichts zu spüren. Schließlich malochten Ludorf und Rachuba ebenso wie, bis auf zwei Ausnahmen, ale Spieler der Mannschaft auf der Zeche Ewald und lebten im Umkreis von zwei Kilometern um das Stadion herum. Die Zeche war dabei schon immer das ökonomische Rückgrat des Vereins. Stets war der Pütt der größte und zuverlässlichste Förderer des Vereins. Nur „Gurken-Willi“ Schimankowitz, der beinharte Verteidiger, der auf dem Platz nur „Der Löwe vom Stimberg“ gerufen wurde, arbeitete in der elterlichen Gärtnerei, Robert Romanski war der Vereinswirt der SpVgg.
Aufgrund des großen Zusammenhaltes schafften die Erkenschwicker es in der Premierenspielzeit auf den achten Platz in der Endabrechnung. An ihrem sportlichen Höhepunkt kamen die „Himmelstürmer“ aber erst in der übernächsten Spielzeit, an deren Ende mit Platz sieben die beste Platzierung in der Geschichte stand, an. In der Saison 1949/59 führten die Rot-Schwarzen zwölf Spieltage lang ungeschlagen die Tabelle der Oberliga an. Freilich verpassten sie aber dennoch durch einen Einbruch in der Rückrunde den Einzug in die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft.
Auf Seite 2: Der Klub feiert weitere Rekorde. Und: Wie der Stimberg zu seinem legendären Ruf kam.