Samstag 13 Uhr, der MSV spielt zuhause gegen Rostock und ganze 11.000 Zuschauer verlieren sich im weiten Rund. Zugegeben, das Wedaustadion ist nicht das "Stadion erster Mai" in Nord-Koreas Hauptstadt Pjöngjang - hier finden doch tatsächlich bis zu 150.000 Zuschauer einen Platz - dennoch dürften sich die MSV-Kicker in ihrem "Wohnzimmer" relativ einsam gefühlt haben.
Niemandsland zweite Liga
Doch das ist keineswegs eine Kritik an den Leuten, die zuhause geblieben sind. Eine solche Schelte könnte ich mir auch gar nicht erlauben, habe ich doch beinahe den kompletten Samstag in der Horizontalen verbracht. Die Uni-Fete am Freitag-Abend im Innenhafen verhinderte meinen Stadionbesuch am Samstagmittag, die Anstoßzeit von 13 Uhr war für mich trotz aller Bemühungen einfach nicht zu halten gewesen. Inwieweit ich mich trotzdem aufgerafft hätte, wenn die Meidericher zu dieser unmöglichen Uhrzeit zum Sturm auf die Tabellenspitze geblasen hätten, ist freilich eine andere Frage.
Zugegeben recht spät im Alter von 14 Jahren stand Moritz das erste Mal auf den Treppen des Duisburger Wedaustadions. Die damalige Südgerade gefiel dem Jungen, der 1989 mit seiner Mutter und seinen zwei Geschwistern aus Stuttgart in den "Pott" gekommen war, nicht so recht. Zu kalt, zu nass und viel zu wenig los. Also wechselte Moritz das Terrain. In der legendären Duisburger Nordkurve war es zwar nicht trockener als auf dem alten Platz und selbstverständlich pfiff auch hier der Wind recht frisch, dafür war die Stimmung deutlich besser. Der MSV ist zwar längst zu dem geworden, was sich so harmlos klingend "Fahrstuhl-Mannschaft" nennt, doch Moritz ist den "Zebras" dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - treu geblieben und legt nun wöchentlich in seiner Fan-Kolumne Zeugnis über sein blau-weißes Gefühlsleben ab
Per Telefon informierte ich mich in der Halbzeit über den Pausenstand und die verstandene 3:0-Führung der Zebras wähnte ich für einen kurzen Moment noch dem reichlichen Alkoholgenuss des Vorabends geschuldet. Und schon war sie wieder da, die Stimme, die mir sagte, wärst du doch bloß ins Stadion gegangen. Dass die deutliche Pausen-Führung unseres Lieblingsteams jedoch nicht unbedingt der Ausdruck der spielerischen Klasse des MSV gewesen sein konnte, bemerkte ich spätestens, als ich mir am Abend die Ausschnitte der Partie in den üblichen Sportsendungen des Samstages ansah.
Schlangenfluss Wedau
Zudem war in der ARD von grausamen ersten 20 Minuten des Matches zwischen den beiden selbsternannten Aufstiegsaspiranten die Rede. Und das trotz einer 3:0-Führung zur Pause? Hey, welches Spiel hat der denn gesehen, dachte ich mir und lauschte gespannt Peter Neururer. Und als P.N. dann von Hacke, Spitze, eins, zwei, drei sprach, um wenig später zum verbalen Höhenflug des Wochenendes anzusetzen - "Zauberei am Schlangenfluss" ist bestimmt was ganz tolles - da wusste ich: Rostock muss wohl ein ziemlich dankbarer Gegner gewesen sein, ein wirkliches Feuerwerk unserer Elf habe ich nicht verpasst, stattdessen doch nur Zauberei am Schlangenfluss.
Womit ich mich jetzt wahrscheinlich der Kritik all derer aussetze, die behaupten, nur der, der immer ins Stadion geht, sei ein echter Fan. Ich sehe das nicht so. Auf denjenigen (vermeintlichen) Anhänger, der nur ins Stadion geht, wenn es wirklich gut läuft und ansonsten nicht einmal den Namen seines Vereins buchstabieren kann, trifft diese Aussage vielleicht zu. Doch ich gehe regelmäßig zum MSV, habe mir aber am vergangenen Samstag mehr oder weniger ganz bewusst einfach einmal die Freiheit genommen, mir die zuletzt zu oft erlebten Grausamkeiten auf dem satten Grün nicht anzusehen.
Und ich bereue meine Entscheidung nach wie vor nicht. Natürlich verhindert meine momentane Unzufriedenheit mit der Situation in Duisburg nicht, dass ich mich bereits jetzt wieder tierisch auf heute Abend freue. Denn dann spielt der MSV in Augsburg und in Oberschwaben geht es für die Zebras um den Einzug in die nächste DFB-Pokal-Runde. Und die Tatsache, dass es um etwas geht, beflügelt mich. So hat die derzeitige Lage in der Liga also doch noch etwas Gutes. Highlights sind rar gesät, die Freude auf wichtige Partien wie in Augsburg dafür umso größer. Und vielleicht gibt’s ja heute Abend tatsächlich eine engagierte und leidenschaftliche Aufführung unseres Teams.
Fan-Herz braucht Sieg
Für das Duisburger Fan-Herz ist es wirklich verdammt wichtig, dass die Jungs im Blau-Weißen Jersey heute die richtige Antwort auf den Augsburger Auftritt parat haben. Im besten Fall überwintert Duisburg im DFB-Pokal, bei einem Misserfolg empfehle ich den Protagonisten sich einen neuen Job zu suchen. Vielleicht sucht die Augsburger Puppenkiste ja noch Darsteller, Zauberei am Schlangenfluss ist im Theater garantiert gerne gesehen - auf dem Fußballplatz dagegen nicht.