Das ist vorbei, weil Jens Keller mutig war. Es ist ja schon Vieles über den Übungsleiter geschrieben worden. Bereits nach dem Testspiel gegen Bayern München im fernen und sandigen Dünenstaat Katar war Keller medial „am Ende“. Der Druck wurde immer und immer größer. Ein paar Wochen später war der Coach „das Gesicht der Krise“. Man musste den „grimmig dreinblickenden“ 42-Jährigen Fußballlehrer fast schon an der Wand stehen sehen, die AK47 (Maschinengewehr) auf ihn gerichtet. Mit hell leuchtendem blauen Schutzschild stand Manager Horst Heldt vor ihm und ließ alle Kugeln abprallen. Der Schalker Sportvorstand setzte damit auch ein Stück weit seine eigene Reputation beim S04 aufs Spiel – Horst Heldt muss von Jens Keller vollkommen überzeugt sein. Anders kann ich es mir kaum erklären.
Die Macht, nichts verlieren zu können
In so einer schwierigen und druckvollen Situation hatte Jens Keller eine heimliche Narrenfreiheit. Denn es war völlig schnuppe, was er als Trainer macht – er wurde ja trotzdem dafür kritisiert. Gebetsmühlenartig verkündete er stets, dass die Mannschaft „im Training gut mitziehe“ und alles „positiv“ sei. Jens Keller hat mutige Entscheidungen getroffen. Ex-Coach Huub Stevens vertraute im Sommer Lewis Holtby die Spielmacherrolle an.
Jetzt ist Holtby in Tottenham und Julian Draxler blüht auf der „Zehn“ auf. Er hat den gesetzten, aber wohl gesundheitlich noch angeschlagenen Roman Neustädter gegen Wolfsburg spielen lassen und seinen eigenen Fehler in der Halbzeitpause korrigiert. Keller zeigte Mut und brachte gegen Mainz 05 den blutjungen Maximilian Meyer, der die Vorlage zum 2:2-Ausgleich von Michel Bastos gab. Intern wird er sicherlich ebenfalls an einigen Stellschrauben gedreht haben. Jens Keller geht Risiken ein und wurde dafür belohnt. Mit Horst Heldt im Rücken kann er zeigen, was er kann.
Psychologie a la Keller
Vor Wochen noch ging die Welt auf Schalke nahezu unter. Die Mannschaft verunsichert, im Blätterwald gab es eine Schelle nach der anderen und der sportliche Erfolg ist ausgeblieben. Königsblau legte einen Absturz hin, der schwer zu verdauen war. Das Volk litt mit seiner Mannschaft. Jens Keller hat die Stimmung komplett gedreht.
Das Team hält zusammen, glaubt an sich und geht den Weg, den der Trainer vorgibt. Dafür verdient der Übungsleiter Lob. Das sage ich bewusst, denn einige vergessen, dass der Trainer auch für Siege eine Verantwortung trägt. Nicht nur bei Niederlagen.
Revierderby wird zum Stimmungsbarometer
Seine weiteren Schritte werden jedenfalls mit Argusaugen verfolgt, jeder kleine Fitzel wird seziert und überprüft. Keller kann das scheißegal sein! Er arbeitet akribisch, besessen vom Erfolg. Schalke 04 scheint sich aus der Krise zu bewegen. Mit kleinen Schritten begann man. Der Krachersieg in Wolfsburg war ein großer Schritt, da direkten Konkurrenten um die internationalen Plätze patzten. Die ernsthafte und schwerste Aufgabe wartet aber noch auf den geborenen Stuttgarter. Das Revierderby gegen die Anderen!
Dieses Spiel ist für die Fans an Stellenwert und Wichtigkeit nicht zu überbieten. Gewinnt Jens Keller dieses Derby, dann gewinnt er auch an Lobby, an Vertrauen bei den eigenen anspruchsvollen Fans. Bei einer Niederlage geht der Tanz von vorne los. Leider.