Obwohl Lambertz nicht berücksichtigt wurde, schiebt er keinen Frust, sondern blickt bereits auf seine kommenden Aufgaben. Ab 1. September wird der 38-Jährige für die SG Essen als Cheftrainer arbeiten. Im Interview mit RevierSport spricht Lambertz über seinen Wechsel, die Aussichten für Peking und ungewöhnliche Trainingsmethoden.
Nach elf Jahren bei der SG Bayer Wuppertal haben Sie sich für den Wechsel nach Essen entschieden. Stimmte es im Bergischen nicht mehr? Der Hauptgrund ist sicherlich die Stimmung. In Essen ist eine echte Aufbruchstimmung zu spüren. Die Infrastrukturen mit dem Vollzeitinternat am Helmholtz-Gymnasium, das Team, die Nähe zu Schulen und Uni, dort sind Ideen und Ziele vorhanden. In Wuppertal nicht? Hier merkt man schon, dass man sich vom Leistungssport immer mehr verabschiedet. Durch den Rückzug des Bayer-Konzerns sind natürlich weniger Gelder vorhanden, das haben auch schon andere Sportarten merken müssen. Mein Hauptziel bleibt aber der Spitzensport, deshalb diese Entscheidung. Außerdem habe ich gute Kontakte zum Essener Trainer Horst Melzer und ich denke, nach elf Jahren ist es mal Zeit für einen Neuanfang.
In Wuppertal haben Sie mit erfolgreichen Schwimmern zusammengearbeitet, in Essen herrscht nach dem Abschied von Christian Keller und zuletzt Mark Warnecke eine Flaute in diesem Bereich. Ich bin als Cheftrainer dafür verantwortlich, dass sich dies ändert. Wir wollen dort wieder etwas aufbauen, das gilt natürlich auch für den Wettkampfbereich. Gibt es schon Sportler, die Ihnen folgen werden? Daniela Samulski wird auch zur SG Essen kommen. Außerdem werden mich drei C-Kader-Schwimmer begleiten. Dazu gibt es in Essen bereits ein gutes Nachwuchsteam, aus dem beispielsweise Sina Sutter von sich Reden macht. Es gibt noch Gespräche, da darf ich noch keine Namen nennen, aber es werden noch ein paar echte Spitzenleute bald im Rüttenscheider Schwimmzentrum zu sehen sein.
Die SG Essen besteht aus 13 Untervereinen, wie genau läuft da die Arbeit für Sie ab? Ich werde Konzepte aufstellen, die für alle Vereine gelten, so dass alle Schwimmer einer Altersstufe auf dem gleichen Stand sind. Der Kontakt zu den einzelnen Trainern ist ein wichtiger Bestandteil meiner Aufgabe. Die breite Masse an Aktiven wird dann aufgeteilt, sodass neun- bis elfjährige Talente in die sogenannte TG 3 rutschen. Das steigert sich bis zur TG 1, in der dann noch 15 bis 20 Schwimmer dabei sind. Jeder Trainingsgruppe stehen zwei Coaches vor. Man kann auf jeden Fall sagen, dass die SG eine gelebte Gemeinschaft ist, in Wuppertal war das nur auf dem Papier so. Da hat jeder Verein autonom gearbeitet.
Im August starten die Olympischen Spiele in Peking, Sie werden nicht zum DSV-Trainerstab gehören. Eine Enttäuschung? Sicherlich war es überraschend, vor allem, weil mit Daniela Samulski und Sarah Poewe zwei starke Schwimmerinnen von mir dabei sind. Ich war 2000 und 2004 dabei, deshalb ist es enttäuschend, aber ich muss es sportlich nehmen. Jetzt muss ich mich noch mehr anstrengen, um in London 2012 wieder nominiert zu werden. Dann ist Örjan Madsen nicht mehr Sportdirektor, den Posten gibt er nach Peking auf. Wäre das etwas für Sie? Irgendwann ja, aber zurzeit noch nicht. Wie werden Ihre Starterinnen dann vor Ort betreut?
Sie wurden Frank Embacher aus Halle zugeteilt, den ich sehr schätze. Außerdem besteht natürlich zwischen uns ein ständiger Austausch, die Anreise erfolgt zudem erst 14 Tage vor den Spielen, da ist das eigentlich Training ja schon längst vorbei. Da geht es vielleicht noch mal um psychische Sachen oder Händchen halten, aber sowohl Daniela wie auch Sarah sind Frank wohl gesonnen.
Welche Ziele haben Sie für Peking ausgegeben? Eine realistische Chance auf eine Medaille gibt es mit der Lagenstaffel. Da können Sarah und Daniela ihr ganzes Können in die Wagschale werfen. Mit Britta Steffen als Schlussschwimmerin dürfte Bronze erreichbar sein, den Titel werden Australien und die USA unter sich ausmachen.
Werden die Chinesinnen wieder unangenehm auffallen? Man hört so wenig, dass man es nicht einschätzen kann. Wenn sie dann aus dem Nichts nach ganz vorne schwimmen, dann tauchen natürlich viele Fragezeichen auf. Auch bei Michael Phelps, der acht Goldmedaillen holen und so den Rekord von Mark Spitz knacken will? Wenn man der Konkurrenz ein gutes Stück voraus ist, gibt es immer Spekulationen. Das ist auch bei Britta Steffen so, das habe ich mit Thomas Rupprath erlebt, als er viele Weltrekorde aufgestellt hat. Ich sehe aber auch, wie hart das Training ist. Komisch wird es erst, wenn jemand mehrere Rennen hintereinander um Längen gewinnt und dabei auch noch lächelnd durch die Gegend läuft. Normalerweise kann man nämlich kaum noch sprechen, wenn man sich derart verausgabt hat.
Sie haben zu Beginn Ihrer Laufbahn mit ungewöhnlichen Methoden auf sich aufmerksam gemacht. Da wurde schon mal Beachvolleyball gespielt oder Tae Bo praktiziert. Das halte ich immer noch so. Daniela trainiert viel im Bereich Gewichtheben, weg vom klassischen Kraftsport. Man muss immer sehen, welchen Typ Sportler man vor sich hat. Sicher ist es unerlässlich, dass ein 1500-Meter-Schwimmer Kilometer frisst. Aber ein Sprinter muss nicht 2500 Kilometer im Jahr absolvieren, da ist auch Abwechslung gefragt. Wie ist Ihre aktive Karriere verlaufen? Am Rand bin ich mit Sicherheit erfolgreicher. Es hat zwar hin und wieder zu Deutschen Meisterschaften gereicht, aber auftrumpfen konnte ich dort nicht. Ich bin aber auch erst mit 18 oder 19 zur SG Neuss gewechselt, da wurde die Basis nicht gelegt. Deshalb habe ich mir vorgenommen, es als Trainer anders zu machen. Ich wollte mich nicht mehr fragen, was wäre geworden wenn...
Warum haben Sie sich für das Schwimmen entschieden? Es ist die Faszination mit dem Element Wasser umzugehen. Eigentlich ist es ein sehr unkommunikativer Sport, aber der Schwebezustand, der beim Schwimmen erreicht wird, ist in kaum einer anderen Disziplin anzutreffen. Diese Eleganz findet man vielleicht beim Drachenfliegen, aber da ist man selbst nicht so aktiv.
Es gab zuletzt große Diskussionen um den Schwimmanzug. Jetzt müssen die DSV-Starter in Peking doch bei adidas bleiben. Der Anzug ist wirklich ein wichtiges Element, gerade in der Tauch- und Gleitphase. Der Körper arbeitet in Wellen, das Blut bleibt in der Muskulatur und kann so zur Leistung beitragen. Ein guter Anzug hebt den Sportler an, der dann höher und leichter im Wasser liegt. Adidas hat in Monaco zuletzt ein neues Modell vorgestellt, das auf gute Resonanz gestoßen ist. Auch Daniela war davon angetan. Ab 1. September beginnt ihr Job in Essen. Auf was freuen Sie sich im Revier? Ich bleibe zunächst in Hahn wohnen, das ist ja keine Entfernung. Essen kenne ich natürlich von verschiedenen Wettkämpfen, deshalb freue ich mich neben meinem beruflichen Engagement auch auf die vielen Möglichkeiten, die die Metropole bietet. Ich habe schon gehört, dass man in Rüttenscheid gut ausgehen kann. Interview: Sarah Landsiedel