Waren die ersten beiden Triumphe vorhersehbar, ist der aktuelle Höhenflug allerdings eine Sensation. Schließlich stieg der Klub vor eineinhalb Jahren noch in die Regionalliga ab und wurde nur am „grünen Tisch“ dank des Lizenzentzugs der Kickers aus Offenbach gerettet. Seitdem läuft es aber fantastisch. Erst mischten die 98er die 3. Liga auf, jetzt ist die zweite Klasse an der Reihe. Und ein Ende der Erfolgsgeschichte scheint nicht abzusehen zu sein.
Aber wie ist diese unglaubliche Entwicklung zu erklären? „Unser Zauberwort heißt Homogenität“, berichtet Sascha Franz. Der Assistent des Erfolgstrainers Dirk Schuster skizziert die personellen Strukturen, deren Fundament auch im Unterhaus der Beletage noch immer das Ehrenamt ist. Weil es nicht einmal einen Sportdirektor oder Sportlichen Leiter gibt, müssen sich die beiden Coaches beispielsweise bei Auswärtsspielen um die Hotels kümmern, oder Trainingslager von A bis Z organisieren. Aber darin liegt laut Franz auch die Stärke: „Wenige Leute machen viel Arbeit. Dadurch sind die Entscheidungswege kurz und der Umgang ist sehr familiär.“
Vor allem im sportlichen Bereich. Denn Darmstadt schreibt nicht nur auf dem Platz eine einzigartige Geschichte. Die Väter des Trainer-Duos sind auch ihre Scouts. Wie bitte? Zwei Familien-Generationen kämpfen für einen Traum? Ja! Die beiden Ex-Profis Eberhard Schuster und Horst Franz nehmen für ihre Söhne die Gegner wie auch potenzielle Neuzugänge unter die Lupe. Eine Vierer-Konstellation, die es im deutschen Profi-Geschäft noch nie gegeben hat. „Das ist unser großes Plus, dass wir zwei ehemalige Profi-Spieler und -Trainer bei uns haben“, strahlt Franz Junior: „Wir haben nicht nur totales Vertrauen zu ihnen, sondern auch ein riesengroßes Knowhow. Eberhard kennt den gesamten Osten und Norden, mein Papa kennt den Westen und Süden. Mehr geht nicht.“
Franz Senior, der im Juni sein 75. Wiegenfest feiert, war unter anderem Trainer bei Borussia Dortmund, dem FC Schalke oder Rot-Weiss Essen. Auch nach seiner aktiven Karriere blieb der studierte Ingenieur der Klimatechnik dem Fußball treu und scoutet seitdem für zahlreiche Vereine. Wie auch sein gleichaltriger Kollege Eberhard Schuster, der Ende des Jahres ebenfalls seinen 75. Geburtstag feiert. Der ehemalige DDR-Nachwuchs-Nationalspieler spulte in elf Oberligaspielzeiten für den damaligen FC Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitzer FC) 261 Punktspiele (33 Tore) ab und verfügt über ein engmaschiges Netzwerk.
Aber wie ist es überhaupt zu dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit gekommen? „Ganz einfach“, erklärt Dirk Schuster, der 2007 den Fußballlehrer-Lehrgang als Jahrgangsbester abgeschlossen hat: „Wir hatten keine Scoutingabteilung. Sascha, unser Torwarttrainer Dimo Wache und ich können nicht alle Spiele sehen, deshalb haben wir unsere Väter gefragt. Schließlich kommen beide aus dem Fußball, kennen sich bestens aus und haben Zeit, weil sie Rentner sind.“
Ein Spiel ist für das Duo an jedem Wochenende Pflicht, bis zu drei Einsätze pro Mann können es werden. „Sie bereiten uns ihre Daten dann auch noch mundgerecht vor“, strahlt Schuster. Allerdings findet die Übermittlung der wichtigen Auswertung nicht wie gewohnt per Mail, sondern via Fax statt. Manchmal wirft Franz Senior seine Analysen auch ganz klassisch in den Briefkasten, schließlich leben Vater und Sohn gemeinsam in Solingen. „Dass es auf einem eher altertümlichen Weg erfolgt, ist aber kein Problem“, winkt Coach Schuster ab: „Wir sind dankbar, dass wir ihre professionelle Hilfe in Anspruch nehmen können.“ Besonders wichtig dabei ist, dass „zwischen uns auch nicht herumgeeiert werden muss. Wir erhalten sowohl über den Gegner, als auch die Spieler klare Ansagen, auf die wir uns 100-prozentig verlassen können“, betont Sascha Franz.
Den kommenden Kontrahenten Düsseldorf, gegen den der SVD eine seiner bisherigen zwei Saison-Niederlagen kassierte, hat Franz genauestens unter die Lupe genommen. „Auch wenn die Ergebnisse für Düsseldorf gerade nicht optimal sind, haben sie eine starke Mannschaft“, kennt das Trainergespann Schuster/Franz die Stärken und Schwächen nun ganz genau: „Weil wir im Westen spielen, kommt uns mein Papa bei der Fortuna auch besuchen und wir werden im Anschluss dann mit Sicherheit noch ein Bier trinken.“
Sollte den „Lilien“ am Ende der Saison dann auch wirklich der Durchmarsch gelingen, werden mit Sicherheit noch einige weitere folgen. Denn dann haben zwei Generationen einen Traum wahr gemacht. Eine in allen Belangen einzigartige Konstellation.