Es dürfte – ohne Herrn Hoeneß auch nur ansatzweise mit einem solchen vergleichen zu wollen – einige Diktatoren auf diesem Planeten geben, die angesichts eines solchen Auftritts vor Neid erblasst wären. Die Kritik der bösen Menschen außerhalb Münchens wird geflissentlich ignoriert, weil das eigene Volk im blinden Gehorsam folgt und mit Applaus und warmen Worten die Eitelkeiten derart befriedigt, dass es den Gefeierten gar zu Tränen rührt. Ein bizarres Schauspiel.
Hoeneß' Rechnung geht nicht auf
Rein rechtlich mag es in Ordnung sein, dass Hoeneß seinen Posten als Aufsichtsrat behält. Ethik und Moral werden indes einfach außer Acht gelassen. Dass sein Gebaren zudem aus mehreren Gründen scheinheilig ist, stört ihn offensichtlich nicht. Keine seiner ohne Zweifel gut gemeinten Spenden und kein Titel, den der Klub dank seiner Führungskraft gewonnen hat, ändert etwas daran, dass er einen vorsätzlichen Betrug begangen hat. Es ist schlicht nicht möglich, seine guten Taten gegen einen Gesetzesverstoß aufzurechnen. Statt zurückzutreten, bagatellisiert er seine Verfehlung, klammert sich an seine Ämter und inszeniert sich als Kämpfer gegen all diejenigen, die ihm und dem FC Bayern etwas Böses wollen.
Es grenzt an Unverschämtheit, wenn nicht nur Hoeneß, sondern letztlich die gesamte FC-Bayern-Familie in ihren Äußerungen die Botschaft transportiert, dass ein solcher Fehler doch menschlich sei und der Beschuldigte doch bitte in Ruhe gelassen werden sollte. Vielleicht haben sie beim Rekordmeister Christoph Daum aus ihrer Erinnerung gelöscht, der einst wegen seiner Verfehlung die gesamte Schlagkraft der Münchner Abteilung Attacke zu spüren bekam – und nur das bekannteste Beispiel einer ganzen Reihe von Personen ist, die Hoeneß mit dem stets erhobenen moralischen Zeigefinger attackiert hat.
Schöne heile Parallelwelt
Dass nun jeder, der Hoeneß hinterfragt, als Moralapostel mit bösen Absichten und einer Abneigung gegen den FC Bayern, die nun endlich ausgelebt werden kann, bezeichnet wird und die Unterstützung der Pro-Hoeneß-Fraktion dadurch nur noch trotziger wird, ist paradox. Auf sich selbst, das hat der Mittwochabend gezeigt, möchte Hoeneß den moralischen Zeigefinger partout nicht richten, zumal ihm das Bayern-Universum, für dessen „Mia-san-mia“-Lebenseinstellung er maßgeblich verantwortlich ist, das Gefühl vermittelt, auf dem richtigen Weg zu sein.
In der Parallelwelt, die sich der Rekordmeister aufgebaut hat, mag Hoeneß - wie es die Mitglieder skandiert haben - „der beste Mann“ sein. In Wahrheit ist er ein Mann, der seine eigenen Maßstäbe missachtet und damit sich selbst, dem FC Bayern und der ganzen Fußballbranche schadet. Aber in München ist das noch keinem aufgefallen.