Auch bei der Wahl zum "NRW-Trainer des Jahres" ist er ein ganz heißer Kandidat. Was er von den Titeln hält und was er mit der DHB-Auswahl noch vorhat, verrät Brand exklusiv im RS-Interview der Woche.
Heiner Brand, wie fühlt man sich als Legende?
Zunächst einmal ziemlich alt. Nein, im Ernst: Das war schon eine außergewöhnliche Auszeichnung, zumal andere Kandidaten im Raum standen, die auch Überragendes geleistet hatten. Insofern ist das ein sehr angenehmes Gefühl.
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Heiner Brand. (Foto: firo)
Bereits 2005 wurden Sie bei der "NRW-Sportlerwahl" für Ihr Lebenswerk geehrt. Etwas verfrüht, oder? Wenn man berücksichtigt, dass ich noch einiges vorhabe, mit Sicherheit. Auf der anderen Seite bin ich jetzt schon 35 Jahre im Spitzen-Handball dabei, von daher hat man schon eine Menge hinter sich. Können Sie sich über die vielen Ehrungen seit dem WM-Gewinn überhaupt noch freuen?
Für mich hat jede Auszeichnung einen Wert, ich bin auch stolz darauf. Das Bundesverdienstkreuz aus den Händen des Bundespräsidenten und der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen von Herrn Rüttgers, zudem die Goldene Sportpyramide – das waren besondere Sachen. Auf einmal wurde ich auf eine Stufe mit ganz herausragenden Persönlichkeiten gehoben, die ich früher bewundert habe. Nervt das große Interesse an Ihrer Person nicht irgendwann?
Wir Handballer haben immer dafür gekämpft, dass wir die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhalten. Daher sind wir froh, auch wenn wir uns diese Ausmaße vorher nicht haben vorstellen können. Die Termine werden manchmal etwas viel, aber wir genießen das und müssen daran arbeiten, dass es so bleibt.
Wie beurteilen Sie die ständigen Vergleiche zwischen Handball und Fußball? Das lässt sich nicht vermeiden, auch wenn der Vergleich eigentlich gar nicht zulässig ist. Der Fußball ist Volkssport, das spielt sich in ganz anderen Dimensionen ab. Wir sind der kleine, feine Nachzügler, der sicher seine Qualitäten hat. Aber auf Dauer wird Handball sicherlich nicht von allen Leuten so verstanden wie Fußball, da muss man Realist sein. Auch wenn sich durch die Weltmeisterschaft sehr viel bewegt hat, werden wir niemals die Dimensionen des Fußballs erreichen – allein schon aufgrund der Hallen-Kapazitäten, bei denen wir immer hinterherhinken werden. Wir sollten uns nicht am Fußball orientieren, sondern uns gegenüber Basketball und Eishockey abheben.
Orientiert sich der Vereins-Handball womöglich zu sehr am "großen Bruder"?
Das ist eine berechtigte Sorge, auch wenn sich viele vor allem nach den eigenen Interessen richten. Mir geht es um die Rolle der Nationalmannschaft, die nicht in dem Maße wahrgenommen wird, wie es ein Zugpferd verdient hätte. Damit könnten die Clubs dem Sport auf Dauer Schaden zufügen.
Sind Sie ein Idealist?
Das war ich früher vielleicht einmal, mittlerweile nicht mehr ausschließlich. Irgendwo bin ich ja auch Profi. Andere hätten Sich den WM-Titel mit Werbe-Verträgen und Seminaren vergolden lassen und sich dann zurückgezogen... Das wäre möglich gewesen, aber das könnte ich nur nebenher machen. Mir macht die Arbeit Spaß, Handball ist neben der Familie mein großer Lebensinhalt. Man hat viel mit jungen Leuten zu tun, etwas schöneres könnte ich mir nicht vorstellen. Und Ihre Frau Christel?
Sie steht voll dahinter, hat meine Karriere immer voll unterstützt – auch die Verlängerung meines Kontrakts beim DHB bis 2013. Auch Leute in der Wirtschaft sind nicht immer zu Hause, das ist irgendwo normal. Wenn man sich durchsetzen will, gehört auch eine gewisse Bereitschaft zum Verzicht dazu.
Wie wichtig ist der Rückhalt der Familie für den Erfolg?
Die Bedeutung ist enorm. Ich kann mich zurückziehen, habe ein Umfeld, in dem ich zur Ruhe komme. Das macht unheimlich Spaß.
Und nach Ablauf Ihres Vertrages 2013 werden Sie sich endgültig aufs Altenteil begeben? Als Trainer bestimmt, aber man weiß ja nicht, was kommt.
Kann es sein, dass Sie bis dahin mit Kapitän Markus Baur Ihren eigenen Nachfolger heranziehen? Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Markus arbeitet zunächst einmal als Vereins-Trainer, da muss man mal die Entwicklung abwarten. Ich werde den Verband sicherlich nicht im Regen stehen lassen, sondern bei der Suche nach Lösungen behilflich sein. Davor sind Sie auch beim DFB gefragt: Sportdirektor Matthias Sammer will Sie in die Reform der Fußball-Lehrer-Ausbildung mit einbeziehen... Ich habe am Dienstag mit einem Mitarbeiter gesprochen, noch ist das aber nur eine Idee. Das ist eine Anerkennung für meine Arbeit, auch wenn noch nichts feststeht. Für mich kann das durchaus interessant sein, weil ich auch mal gerne über den Tellerrand hinausschaue.
Sie sind seit über zehn Jahren Nationaltrainer. Muss man sich teilweise neu erfinden, um erfolgreich zu sein?
Ich habe den Vorteil, dass ich mit den Spielern nicht jeden Tag zusammenarbeite. Dennoch sollte man neuen Dingen gegenüber aufgeschlossen sein. Deswegen machen wir Dinge wie Musiktherapie oder Sachen im psychologischen Bereich.
Haben Sie nach dem Gewinn des WM-Titels einen Moment überlegt, ob Sie sich noch neu motivieren können?
Direkt nach dem Spiel habe ich zu Christian Schwarzer gesagt, eigentlich müsste ich jetzt aufhören. Aber ansonsten war das kein Thema mehr.
Haben Sie die Sorge, dass Ihre Spieler die anstehende Europameisterschaft im Vergleich zur Heim-WM als Rückschritt betrachten könnten? Nein, weil die Jungs die Lage realistisch einschätzen können. Es gibt keinen Grund überheblich zu werden. Zudem kämpfen sie um die Olympia-Fahrkarten, daher ist die Gefahr nicht gegeben. Wir können es uns nicht erlauben, so ein großes Ereignis wie die EM als Zwischen-Station zu sehen. Auch wenn Peking etwas besonderes sein wird, werden wir das Turnier in Norwegen genauso angehen wie die vorherigen.
Olympia-Gold wäre der einzige Titel, der Ihnen noch fehlt...
Das wäre der Titel. Daran sollte man nicht so viel denken, das ist noch weit hin. Bis dahin müssen wir Schritt für Schritt viele Aufgaben erfüllen, das wird schwer genug.
Spüren Sie, dass die Erwartungshaltung im Umfeld steigt? Das lässt sich als amtierender Weltmeister nicht vermeiden. Wir können gut damit leben, schließlich hatten wir auch im vergangenen Januar einen Druck, wie er höher nicht sein konnte. Das WM-Ziel war eigentlich gar nicht so realistisch, aber wir haben es trotzdem erreicht. Wird die Situation vor der Euro in der Öffentlichkeit falsch eingeschätzt? Das ist durchaus möglich, aber wir können nichts daran ändern. Die Erwartungen an uns sind auch dann hoch, wenn die Voraussetzungen gar nicht optimal sind.