Aktuell versuchen die „Mücken“ sogar, über eine rechtliche Hintertür die Klasse zu halten oder zumindest in der Oberliga starten zu können. „Noch ist das Insolvenzverfahren nicht eröffnet. Wenn das der Fall ist, sind wir nicht mehr Herr im Haus, sondern der Insolvenzverwalter allein. Noch entscheiden wir aber gemeinsam. Dieser Zwischenzustand wird in den ESBG-Statuten anders bewertet. Damit hätten wir die sportliche Qualifikation für 2. Bundesliga oder Oberliga noch nicht verspielt.“
Dass die Hoffnung, sich auf diesem Wege zu qualifizieren, jedoch theoretischer Natur ist, gibt auch Dittmann unumwunden zu: „Klar, es macht auch wenig Sinn, sich über Gerichte einzuklagen, da wir ja auch irgendwann Sicherheit haben müssen, um planen zu können.“ Bevor jedoch die Fragen nach der Zukunft des ESC geklärt werden, fragen sich die Anhänger des Clubs vor allem, wie es überhaupt zu dem Finanz-Debakel kommen konnte.
Warum wurden die verhängnisvollen Zahlen offenbar selbst in Vorstandskreisen erst in der letzten Woche bekannt? „Ich wollte mir in der Woche vor der geplanten Trainer-Präsentation einen Überblick verschaffen.Wenn man beruflich in der Leitung von Firmen erfahren ist, merkt man dann schnell: Da passt was nicht. Diese Erkenntnisse habe ich dann dem Rest des Vorstands mitgeteilt und wir haben uns dann einstimmig zur Insolvenz-Anmeldung entschieden.“
Warum die Zahlen Dittmann allerdings erst jetzt zugänglich gemacht wurden, kann der Geschäftsführer auch nur ansatzweise erklären: „Ich habe sie mit Nachdruck eingefordert!“ Wer ist dann für die offenkundigen Versäumnisse verantwortlich zu machen? „Ich könnte jetzt sagen, da oder dort ist nicht so optimal gearbeitet worden, aber ich will jetzt auch niemanden beschuldigen.“ Dass sich die Situation bereits im Februar derartig verheerend darstellte, bestreitet der Funktionär: „Wenn wir damals schon die Informationen gehabt hätten, wäre es absolut unverantwortlich, die 100.000 Euro anzunehmen.“
Die damals als Spende deklarierte Finanz-Spritze eines noch immer unbekannten Privatmannes, die den Essenern zumindest das Überleben bis zum Saisonende ermöglichte, stellte sich inzwischen übrigens als Darlehen heraus. „Das war ein Fehler, ich habe damals auch nicht verstanden, warum das der Öffentlichkeit gegenüber so unklar dargestellt wurde. Ich hatte als einfaches Vorstandsmitglied, das noch nicht der Geschäftsführung angehörte, aber keinen Einfluss darauf“, zuckt Dittmann mit den Schultern.
Dass einen Großteil der Verantwortlichen tatsächlich erst in buchstäblich letzter Minute die Hiobsbotschaft ereilte, untermauert die Personalie Mike Bullard. Mit dem Coach waren die „Mücken“ nicht nur einig, auch weite Teile eines Zweitliga-Kaders konnten, in Absprache mit dem Ex-NHL-Crack, bereits zusammengestellt werden. “Er hat sich absolut mit unserem Konzept identifiziert, sogar immer wieder angerufen und gesagt: ‚Ich kriege es noch günstiger hin.‘" Letztlich jedoch alles vergebens.
Wenngleich die Schuldfrage am Westbahnhof noch immer nicht final geklärt ist - dass ein personeller Umbruch erfolgen wird, ist unstrittig. „Einige haben gute Arbeit gemacht und mit diesen Problemen überhaupt nichts zu tun. Für die tut es mir leid“, seufzt Dittmann. „Dennoch muss auch für die Fans ein deutlicher Schnitt erkennbar sein. Es ist sicherlich auch auf Sponsoren-Seite viel verbrannt und das müssen wir uns nun ganz von vorne Stück für Stück versuchen, wieder aufzubauen.“
Arbeit, die vor allem auf den unfreiwilligen Krisenmanager wartet. Der stellt seine persönlichen Befindlichkeiten dennoch hinten an: „Das ist eben das Risiko, das ich mit einkalkulieren musste. Ich habe mein Amt ja auch übernommen, um die ganzen Sachen aufzuarbeiten. Ich habe aber nicht erwartet, den Zustand so vorzufinden. Das ist schon eine brenzlige Situation und wenn man sich dann plötzlich damit konfrontiert sieht, dass man persönlich haftbar gemacht werden kann, ist natürlich nicht so prickelnd.“