„Es ist eine Charaktersache der Mannschaft gegenüber, dass wir nicht hingehen und fünf oder sechs Spieler des VfB Hüls unter Vertrag nehmen“, sagte der Fußball-Abteilungsleiter des TSV Marl-Hüls, Lothar Gedenk, vor knapp einer Woche. Drei Spieler des Konkurrenten sind es schließlich aber doch geworden. Auf Kadir Mutluer und Lukas Diericks folgte am Dienstag Christian Erwig.
Den Ruf des Geheimfavoriten, der dem TSV nach dem Staffelwechsel von der 1 in die 2 anhaftete, legt der Verein nach diesen Verpflichtungen langsam ab und wird immer mehr zum gar nicht mehr so geheimen Favoriten auf den Aufstieg in die Oberliga. Mit einem Schmunzeln hatte Gedenk schließlich schon gesagt: „Normalerweise muss man aufsteigen. Natürlich will ich Holger aber nicht unter Druck setzten.“ Der Trainer Holger Flossbach hat nach Nassirou Ouro-Akpo den nächsten Stürmer von Format in seinem Kader. Das in der letzten Saison oft vorherrschende Sturmproblem in Marl-Hüls sollte mit der Verpflichtung von Erwig, der in der Regionalliga West 19 Mal einnetzte, behoben sein.
"Ich war quasi schon auf dem Weg nach Hamm"
Dass sich Erwig trotz zahlreicher höherklassiger und auch besser dotierter Angebote für den TSV entschied, ist durch seinen Beruf bedingt. „Als Polizist in der Ausbildung habe ich nicht viel Zeit“, erklärt er. Gespräche mit Verl, Trier und Wuppertal endeten deswegen ebenso in einer Absage wie die Verhandlungen mit der Hammer SpVg. „Ich war quasi schon auf dem Weg nach Hamm, bis die Polizei mir die Erlaubnis für diesen Wechsel verweigerte. Das kann ich aber verstehen“, sagt Erwig, der noch zwei Jahre seiner Ausbildung vor der Brust hat und nicht so viele weite Fahrten für den Fußball machen kann.
Der Stürmer entschied sich also nicht ganz freiwillig für einen Verbleib in der Nähe seiner Heimat Reken. Dort sprach er auch mit seinem Heimatverein SG Borken über ein Engagement, doch Marl-Hüls kann nicht nur mit der besseren Bezahlung punkten, sondern auch mit einer echten sportlichen Perspektive. Dass Erwig in der Westfalenliga 2 unterfordert sein könne, befürchtet er nicht. „Ich bin nicht so vermessen, dass ich sage: 'Ich greife jetzt die Torjägerkanone an.' Mir ist es wichtiger, mit dem TSV in dieser starken Liga eine gute Rolle zu spielen.“
Nach Lotte "moralisch zerstört"
Über seinen alten Verein verliert Erwig ausschließlich positive Worte. Denn er macht keinen Hehl daraus, dass er dem VfB einiges zu verdanken hat. „Als ich 2011 von den Sportfreunden Lotte dahin gekommen bin, war ich moralisch zerstört. Beim VfB bin ich wieder auf die Beine gekommen. Das war eine schöne Zeit“, betont Erwig. „Ich hatte zwar noch ein Jahr Vertrag, aber ich wollte da jetzt nicht auf mein Geld bestehen und dazu beitragen, dass der Verein komplett bankrott geht.“
Sollte der 29-Jährige an seine Leistungen aus dem Vorjahr anknüpfen können und der TSV Marl-Hüls die Erwartungen erfüllen, könnte es schon in einem Jahr zur Wachablösung zwischen den beiden Lokalrivalen kommen.