Rot-Weiss Essen gegen Preußen Münster. Dieses Traditionsduell elektrisiert beide Fan-Lager. Am Sonntag kommt es an der Essener Hafenstraße zum Kräftemessen zwischen dem Spitzenreiter RWE und dem Verfolger aus dem Münsterland.
Die Rot-Weissen gehen mit fünf Punkten Vorsprung auf den Rivalen in das Top-Spiel und haben sich in den ersten 23 Partien eine bessere Ausgangslage erarbeitet. RevierSport hat sich angeschaut, in welchen Punkten die beiden Teams Vorteile haben könnten:
Für Rot-Weiss Essen spricht …
Direkter Vergleich gegen Spitzenteams:
In der vergangenen Spielzeit holte Rot-Weiss Essen 90 Punkte und verpasste dennoch den Sprung in die 3. Liga. Ein Grund dafür war auch, dass die Punkteausbeute in den direkten Duellen nicht gut genug war. Gegen den Meister Borussia Dortmund II (1:1, 1:1) spielte RWE zweimal Remis, beim Vergleich mit Preußen Münster (1:0, 0:1) gab es einen Sieg und eine Niederlage und auch gegen Fortuna Köln (1:1, 2:0) konnte Essen nicht beide Partien gewinnen. Aus diesen sechs Spielen holte die Truppe von Trainer Christian Neidhart "nur" neun von möglichen 18 Punkten.
In dieser Saison tritt Rot-Weiss im direkten Vergleich gegen die Spitzenteams deutlich stabiler auf: Zwei Dreier gegen Wuppertal (1:0, 2:1), ein Sieg in Münster (3:2) und der 2:1-Erfolg über Fortuna Köln. Noch hat die Neidhart-Elf gegen die Aufstiegskonkurrenten keinen einzigen Zähler liegengelassen. Deswegen steht RWE – Stand jetzt – auch zurecht auf dem Platz an der Sonne.
Nervenstärke/Mentalität:
Als absoluter Favorit auf die Regionalliga-Meisterschaft ist RWE es gewohnt, mit Drucksituationen umzugehen. In dieser Spielzeit konnte der Primus schon häufig die eigene Nervenstärke unter Beweis stellen. Beispiele gefällig? Nach dem 1:4-Debakel am zweiten Spieltag gegen den SV Straelen, folgten prompt zwei Siege über die direkten Konkurrenten Wuppertal und Fortuna Köln. Als Essen, Ende Oktober 2021, nach 17 Minuten mit 0:3 bei Fortuna Düsseldorf II zurücklag und alles nach einem Debakel aussah, zeigten die Gäste Mentalität und holten ein 3:3-Remis. Im Rückspiel gegen Düsseldorf II gelang es der Mannschaft, trotz des zwischenzeitlichen Ausgleichstreffers und einer Gelb-Roten Karte gegen Luca Dürholtz, in einer weiteren Drucksituation den Hebel umzulegen. Der Lohn: ein deutlicher 4:1-Erfolg und drei Tore in den letzten 20 Minuten. Nicht zu vergessen das Hinspiel in Münster, als die Gäste einen 0:2-Pausenrückstand in einen Sieg drehten.
Konstanz:
23 Spiele, 56 Punkte – ein Schnitt von 2,43 Zählern pro Partie. Insgesamt musste Rot-Weiss Essen in dieser Saison erst eine Niederlage einstecken und ist seit 21 Liga-Spielen ungeschlagen. Solch eine lange Serie ohne Pleite hat aktuell kein anderer Verein in den ersten vier Ligen Deutschlands vorzuweisen. Auch wenn nicht jedes Spiel souverän, oder jeder Dreier überzeugend ist (Beispiel: 1:0 in Homberg), muss man festhalten: Rot-Weiss Essen ist seit gut eineinhalb Jahren die Definition von Konstanz.
Drucksituation von Preußen Münster:
Nach dem knappen und späten 1:0-Sieg von RWE beim VfB Homberg, betonte Essens Abwehrchef Daniel Heber mit Blick auf die Tabellenkonstellation: "Wir werden natürlich auf Sieg spielen. Wenn das Spiel aber Unentschieden endet, können wir damit besser leben als Münster."
Das stimmt wohl. Fünf Punkte Vorsprung hat Essen auf den Verfolger. Wenn Münster verliert, liegen sie bereits acht Zähler hinter Rot-Weiss zurück. Dann würde es wohl auf einen Zweikampf zwischen Essen und Fortuna Köln hinauslaufen, auch wenn die Saison noch lang ist. Für die Preußen gilt deshalb: verlieren verboten! Eigentlich müssen die Gäste voll auf Sieg spielen. Das könnte den Essenern in die Karten spielen.
Das spricht für Preußen Münster …
Auswärtsstärke:
Die Truppe von Coach Sascha Hildmann ist eine Macht auf fremden Plätzen und holte aus zehn Auswärtsspielen 21 Zähler. Nur bei der starken Kölner Fortuna verlor Preußen Münster mit 2:3. In den weiteren neun Auswärtsauftritten kassierte der Regionalligist sechs Gegentore und konnte sechs Siege feiern. Vor allem den Flügelflitzern Thorben Deters, Manuel Farrona Pulido und Henok Teklab, der krankheitsbedingt auszufallen droht, kommt es entgegen, dass die Münsteraner auswärts mehr Raum bekommen.
Allerdings ist Münster auch zu Gast bei der zweitheimstärksten Mannschaft der Liga. Die Essener konnten die jüngsten sechs Heimspiele allesamt gewinnen, kassierten gegen Straelen jedoch die einzige Saisonniederlage an der Hafenstraße. An die sensationelle Heimbilanz der letzten Saison (20 Spiele, 56 Punkte) können sie nicht mehr herankommen.
Kaum besiegbar:
Im Jahr 2021 bestritt Preußen Münster 41 Regionalliga-Partien und musste nur viermal den Rasen als Verlierer verlassen. In den Profiligen Deutschlands hat kein anderer Klub im Vorjahr so wenig Niederlagen einstecken müssen, wie die Preußen. Bemerkenswert: Nie fiel eine Pleite höher als mit einem Treffer Unterschied aus. Klar ist: Münster ist schwer zu bezwingen. Die Hildmann-Elf tritt defensiv stabil auf, hat viel Erfahrung in den eigenen Reihen und in der Offensive mit Thorben Deters, Henok Teklab und Gerrit Wegkamp drei Spieler, die in engen Duellen den Unterschied ausmachen können.
Starke Defensive:
Nur 16 Gegentore in 23 Partien: Preußen Münster stellt (gemeinsam mit dem WSV) die zweitbeste Defensive der Regionalliga West. Nur Fortuna Köln ist noch stärker (13 Gegentreffer). 12-Mal spielten die Preußen in der Liga bereits zu Null – eine hervorragende Bilanz. In den letzten sieben Liga-Partien kassierte der Regionalligist nur zwei Gegentore, beide in der Schlussphase. Auch in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen den Champions League-Teilnehmer VfL Wolfsburg hielt Keeper Maximilian Schulze Niehues seinen Kasten bis zum Ausgleichstreffer in der 90. Minute sauber. Mit Marcel Hoffmeier haben die Adlerträger einen bärenstarken Abwehrspieler, der von Verantwortlichen und Experten neben Essens Daniel Heber als bester Innenverteidiger der Liga betitelt wird. Hoffmeier ist der Chef der Preußen-Defensive.
(Mögliches Neidhart-Fehlen):
Während sich die Preußen normal in der Trainingswoche auf das Schlagerspiel an der Hafenstraße vorbereiten konnten, musste RWE auf seinen Trainer Christian Neidhart verzichten, der sich in Quarantäne befindet. Ob der Essener Fußballlehrer am Sonntag auf der Bank sitzen wird, ist noch unsicher. Sein Vertreter wäre dann Co-Trainer Lars Fleischer. Das sollte kein spielentscheidender Faktor sein, dennoch kann eine Änderung in einem ritualisierten Ablauf, vor allem wenn es zuvor positiv lief, durchaus störend wirken.