Aachen – Oberhausen – Erndtebrück. Während bei den Fans von Rot-Weiss Essen bei diesen drei Stationen automatisch ein verständlicher Spannungsabfall einsetzt, können es sich die Spieler vor der weiten Fahrt zum Tabellenvorletzten ins Pulverwaldstadion (14 Uhr) auf keinen Fall erlauben. „Nach dem bisherigen Saisonverlauf sollte niemand auf die Idee kommen, nicht an seine Leistungsgrenze gehen zu wollen. Wer das meint, der hat aber ganz schlechte Karten“, schickt Sportdirektor Jürgen Lucas eine klare Warnung an die Akteure, Bruder Schlendrian mit in den Mannschaftsbus zu bitten.
RWE trainierte auf Kunstrasen
Zudem sollten die Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass der Aufsteiger vor dem Duell mit dem prominenten Besuch aus dem Ruhrgebiet einiges an Boden gut machen kann: Erst einmal wird für Essener Verhältnisse auf ungewohntem Kunstrasen trainiert, worauf sich die Gäste in zwei Trainingseinheiten speziell an der Seumannstraße vorbereiteten. Und zum anderen fehlt mit den gelbgesperrten Marcel Platzek und Kai Pröger ausgerechnet in einer Partie die erste Sturmreihe.
Natürlich ist es sehr unglücklich, dass beide zusammen ausfallen. Aber wir denken in Lösungen, wir jammern nicht.
Argirios Giannikis (Rot-Weiss Essen)
„Das ist schon hart, damit verlieren wir natürlich enorm an Tempo“, mutmaßt Lucas. Giannikis nimmt die Herausforderung an: „Natürlich ist es sehr unglücklich, dass beide zusammen ausfallen. Aber wir denken in Lösungen, wir jammern nicht.“
Bis zuletzt tüftelte Argirios Giannikis darüber, wie er dieses Manko am besten auffängt. David Jansen wäre von der Position her erster Kandidat für die Platzek-Stelle, der Ex-Oberhausener hat sich bei seinen Einsätzen bislang aber nicht gerade als Sprinter hervorgetan, fällt eher unter die Rubrik „Ballfestmacher“. Da könnte Roussel Ngankam auf der Außenposition schon eher Pröger eins zu eins ersetzen – wenn er unterwegs bei seinen Sprints nicht vergisst, das Spielgerät mitzunehmen.
Aber Trainer Giannikis wird schon die richtige Taktik ausgetüftelt haben. Der Gegner kann den 37-Jährigen jedenfalls kaum überraschen. Giannikis hat sich in großer Fleißarbeit sämtliche (!) Spiele der Erndtebrücker auf Video angesehen und zeigt sich überrascht, wenn andere überrascht sind von derlei Akribie: „Wieso, das ist doch mein Job“, meinte er breit grinsend. Der Zuhörer ahnt es längst: Der Deutsch-Grieche war einer der Schüler, die früher vor einem in der ersten Reihe gesessen haben und vor jeder Klassenarbeit aber wirklich jedes Detail auswendig gelernt hatten.
Keine Räume für den Gegner
Die Prüfungsarbeit Erndtebrück hat folgendes Urteil ergeben: „Ich kenne den Gegner nun sehr gut, sie spielen in einem 4-4-2-System und zeigen ein schnelles variables Spiel nach vorn.“ Darauf ist RWE aber vorbereitet. Wie zuletzt will man dem Gegner keine Räume anbieten, in der Abwehr konzentriert und konsequent arbeiten und dann schnell umschalten. Ein Lied davon singen konnte zuletzt RWO, worauf sich einer ihrer Spieler, Rafael Garcia, zum Klagelied hinreißen ließ, RWE habe „das Spiel nur zerstören wollen“.
Auch diese Attacke vom Nachbarn kontert der neue RWE-Coach ganz cool: „Wenn er meint, dass wir denen keine Räume gegeben haben, dass wir defensiv taktisch gut gearbeitet haben – da hat er Recht. Aber ich habe auch ein klares Chancenverhältnis von 7:1 für uns gesehen, das ist weit weg von Zerstören. Dass das ungemütlich ist für den Gegner, versteh ich.“