Es ist Usus, dass sich Demandt nach den Spielpressekonferenzen den anwesenden Medienvertretern in kleiner Runde stellt und bereitwillig Auskunft gibt. Nach dem 1:1 gegen Verl dauerte diese Gesprächsrunde außerordentlich lang: Nach gut 23 Minuten beendete der 52-Jährige die Unterhaltung mit einem „Tja, so ist das“ und verabschiedete sich mit dem rheinischen Abschiedsgruß „Tschö.“ Es sollte sein letzter Gruß als Trainer von Rot-Weiss Essen gewesen sein.
Denn am Sonntagvormittag verkündete der Verein über seine Homepage, dass Demandt von seinen Aufgaben entbunden wurde. Noch am Samstagabend hatten die für die Personalentscheidung verantwortlichen Gremien getagt. Sportdirektor Jürgen Lucas, Vereinsvorsitzender Prof. Dr. Michael Welling, der Aufsichtsrat und der Sportbeirat. Das Ergebnis: Der Glaube an Demandt war erschöpft. Lucas erbat die Beteiligten zwar noch eine Nacht über die Entscheidung zu schlafen. Am nächsten Morgen stand jedoch die Entscheidung fest: Demandt muss gehen. „In den letzten Wochen sind wir nicht wie erwünscht in die Spur gekommen. Wir haben auch gegen Verl eine Leistung erleben müssen, die den Ansprüchen nicht genügte und so kamen die Gremien letztendlich zu diesem Entschluss“, begründet Essens Vorsitzender Prof. Dr. Michael Welling die Entscheidung.
Und so begibt sich Lucas nun auf die Suche nach einem Nachfolger für den gebürtigen Kölner. Klar ist jedenfalls, dass dieser nach dem verpassten Saisonstart ein schweres Kreuz zu tragen hat. Denn die enormen Schwankungen in den Leistungen der Bergeborbecker sind nicht zu erklären. Auch wenn die Spieler sich im Anschluss an die schwachen Vorstellungen bei der 1:3-Derbyniederlage gegen Wuppertal oder der 2:4-Heimpleite gegen Wiedenbrück selbstkritisch zeigten, haben sie es nie geschafft, Konstanz in die Leistungen zu bringen.
Auf den neuen Verantwortlichen an der Essener Seitenlinie kommt also in erster Linie auch psychologische Aufbauarbeit zu. Der Rucksack auf dem Rücken der Spieler ist klar erkennbar. Schon auf der PK sagte Demandt, dass es zwei Möglichkeiten zur Behandlung diesbezüglich gäbe. Man könnte den Spielern gut zureden oder eben draufhauen. Er wäre eher ein Vertreter der ersten Variante. Ob der neue Mann ein Kandidat der zweiten Variante werden muss, das sei dahingestellt.
Zuletzt gab es auch Gerüchte, dass es zwischen Mannschaft und Trainer nicht stimmen würde. Die Reaktion der Mannschaft, nachdem ihr von Lucas die Gründe für die Entscheidung erörtert wurde, lassen anderes vermuten. „Die Mannschaft war sehr traurig darüber und hatte fast schon ein schlechtes Gewissen“, verriet der Direktor Sport.
Klar ist jedenfalls, dass eine Lösung so schnell wie möglich her muss, schließlich warten im Oktober mit den Aufstiegsfavoriten Rödinghausen und Viktoria Köln, dem Traditionsverein Alemannia Aachen und dem Erzrivalen Rot-Weiß Oberhausen die Wochen der Wahrheit auf die Bergeborbecker. „Unser Ziel ist es, zeitnah eine Lösung zu präsentieren. Es muss weitergehen, wir haben schwere Spiele vor der Brust.“
Genau deshalb nimmt Lucas auch noch mehr Leute in die Pflicht, anstatt zu glauben, dass nach der Freistellung Demandts sofort alles wieder gut wird. Sich selber schließt er mit ein: „Wir sind da alle im Boot und müssen uns alle hinterfragen. Da nehme ich auch die Mannschaft nicht raus.“ Schon in Rödinghausen muss Besserung her, auch wenn sich weder Welling, noch Lucas schon am Sonntag damit beschäftigen wollten.
Die Reaktion von Demandt? „Professionell“, wie Lucas erzählt. „Er ist seit 36 Jahren im Profigeschäft und hat als Trainer, aber auch als Spieler schon viel durchgemacht.“ Zwischen 2006 und 2008 hatte der Fußballlehrer bereits an der Hafenstraße gearbeitet, damals noch als U19-Trainer. Im Frühjahr 2016 kehrte er nach der Freistellung von Jan Siewert zu seiner alten Wirkungsstätte zurück, sollte den damals abstiegsbedrohten Regionalligisten wieder in die Erfolgsspur zurückbringen.
Nach dem gelungenen Klassenerhalt und dem fünften Platz am Ende der vergangenen Saison sollte nun der nächste Schritt folgen, dieser blieb bisher mit 13 Punkten aus den ersten elf Saisonspielen aus. Lucas: „Er hat sehr am Verein gehangen. Wir beide waren sehr davon überzeugt, bei allen Schwierigkeiten und den finanziellen Kürzungen, dass wir unsere Ziele erreichen würden. Leider hat es nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben.“ In Kontakt bleiben wollen die beiden ehemaligen Jugendtrainer dennoch: „Der Mensch Sven Demandt, den ich hier kennengelernt habe, ist 1a.“