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Solidarität mit Welling - auch Aachen attackiert DFB-Vize

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Dr. Christian Steinborn, bis zuletzt Aufsichtsratschef von Alemannia Aachen, hat sich via RevierSport mit einem offenen Brief zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Dr. Koch,

offensichtlich war unter anderem die drohende Insolvenz von Alemannia Aachen Anlass für Ihr Interview mit der DPA vom 30.03.2017. Als Aufsichtsrat der für den Spielbetrieb zuständigen Alemannia Aachen GmbH waren wir zumindest bis noch vor wenigen Tagen für die ausgegründete Tochter des Aachener TSV Alemannia 1900 e.V. wirtschaftlich endverantwortlich und möchten daher dieses Interview zum Anlass nehmen, zu den dort gemachten Aussagen kurz Stellung zu nehmen. Es ist erfreulich und vielleicht einer der wenigen positiven Aspekte, die mit der drohenden Insolvenz der Alemannia verbunden sind, dass sich infolge des offenen Briefes, den der 1. Vorsitzende von Rot Weiss Essen, Dr. Welling, im Nachgang zu Ihren Äußerungen veröffentlicht hat, endlich öffentlich in größerem Umfang über die Notwendigkeit einer Regionalliga-Strukturreform diskutiert wird. Dabei möchten wir Herrn Dr. Welling, den wir als kompetenten und pragmatischen „Kollegen“ haben kennenlernen dürfen, für seinen fundierten Beitrag herzlich danken und kundtun, dass wir seine im Rahmen des offenen Briefes gemachten Aussagen vollumfänglich unterstützen.

Bevor wir aber darauf näher eingehen, möchten wir es nicht versäumen, uns zu den von Ihnen getroffenen, pauschalen Aussagen im Hinblick auf unseren Verein zu äußern: ja, es ist tragisch, dass es nicht möglich war, eine zweite Insolvenz innerhalb eines 5-Jahres-Zeitraumes zu vermeiden. Ihre Aussage, diese (zweite) Insolvenz sei völlig inakzeptabel und eine Negativwerbung für den Fußball, halten wir indes für völlig unangemessen. Haben Sie auch nur die geringste Ahnung über die Hintergründe der Insolvenz? Eines können wir Ihnen versichern: ohne die unattraktive, durch Sie weiterhin für gut befundene Struktur der höchsten deutschen Amateurspielklasse wäre es für uns wie auch andere ambitionierte Vereine wesentlich leichter, Mittel einzuwerben, die für eine Entlastung der arg strapazierten Budgets sorgen würden. Gerne können Sie einmal mit der Vielzahl potentiellen Sponsoren oder Investoren sprechen, die ein Engagement mit dem Hinweis darauf ablehnen, dass es zu riskant sei, signifikant Kapital einzusetzen, wenn die hervorragende und konstante Arbeit einer ganzen Saison durch 2 Relegationsspiele zunichte gemacht werden kann (siehe SF Lotte vor 5 Jahren gegen RB Leipzig) – ganz zu schweigen von der aus juristischer Sicht fragwürdigen 50+1 Regel!

Es scheint mit Verlaub so, dass Sie sich - wie es Herr Dr. Welling es formuliert - mit den Realitäten der Regionalliga (noch) nicht intensiv genug auseinandergesetzt haben, sonst kämen sie vielleicht (unserer Meinung nach hoffentlich) zu anderen Schlussfolgerungen. Es ist doch bezeichnend, dass große Traditionsvereine der Regionalliga West – zudem noch die mit dem höchsten Zuschauerschnitt – in Folge Ihrer Bemerkungen unisono aufschreien. So finden wir, dass Rot-Weiß Oberhausens Präsident Hajo Sommers Ihre pauschalen Aussagen darüber, dass es keine Strukturprobleme in den Regionalligen gäbe, zu Recht scharf kritisiert. Auch „Pele“ Wollitz hat sich als Trainer von Energie Cottbus ja schon deutlich in ähnlicher Art und Weise geäußert. Dabei ist die Alemannia alles andere als ein Einzelfall: auch Fortuna Köln (3x) und die Kickers aus Offenbach hat es schon zwei mal getroffen, Siegen will (unabhängig vom möglichen sportlichen Ausgang der Saison) gar nicht mehr Regionalliga spielen, Oberhausen muss nach eigenem Bekunden das Budget verkleinern und nicht nur um Eintracht Trier (also nicht nur in „unserer“ Regionalliga) halten sich hartnäckig und gerade wieder ganz aktuell Insolvenzgerüchte.

Genau so verwunderlich wie auch zugleich unangemessen sind die in diesem Zusammenhang ergangenen Äußerungen von Viktoria Kölns Sportdirektor Franz Wunderlich der – anders als die Verantwortlichen der Traditionsvereine in der Regionalliga West - mit einem Mäzen wie Franz-Josef Wernze im Rücken und damit einem Etat, der wirtschaftliche Sorgen gar nicht erst aufkommen lassen sollte, leicht reden hat.

Hier zeigt sich deutlich das Gesicht der Regionalliga als Sammelbecken von Traditionsvereinen, die sich ob Ihrer Struktur in der Regionalliga nicht heimisch fühlen wollen (und wie Herr Dr. Welling völlig richtig konstatiert: auch nicht können und sollen), Ausbildungsvereinen von Bundesligisten, Mäzenaten-Vereinen und Vereinen, für die die Regionalliga die höchste seriös erstrebbare Spielklasse ist. Wir verweisen hierzu auf eine sehr instruktive und gut recherchierte Darstellung in Bonner General Anzeiger vom 29.03.17 in der Vereinschef des Bonner SC, Dirk Mazurkiewicz, die Herausforderungen der Regionalliga aus Sicht eines Aufsteigers darstellt, bei dem der Großteil der Kaderspieler lediglich als Minijobber auf der Payroll steht. So entsteht - im Gegensatz zu den immer mehr an den fetten Fernsehtöpfen partizipierenden und damit kommerziell enteilenden Vereinen der Bundesligen - in der Regionalliga immer mehr eine heterogene Melange, bei denen Traditionsvereine zumindest eines aber gemeinsam haben: die Sorge um die wirtschaftliche Zukunft und damit die Sorge darum, der Verantwortung für oft regional so etablierte Vereinsgebilde gerecht werden zu können.

Doch zurück zum offenen Brief von Herrn Dr. Welling, dem unter anderem in folgenden Punkten vollumfänglich zuzustimmen ist:

Punkt 1: Das Thema Regionalligareform sollte lösungsorientiert nicht nur innerhalb der Verbände sondern auch kritisch unter Zuhilfenahme einer breiteren Medienöffentlichkeit diskutiert werden. Wir sind sicher, dass sich das Meinungsbild in der Öffentlichkeit anders darstellt, als Sie es skizzieren! Punkt 2: Vollprofitum hat nichts mit Ligazugehörigkeit zu tun Punkt 3: Die Sichtweise, dass Vereine mit kleineren Etats keine oder weniger häufig Probleme mit Etats haben, als Vereine mit größeren Etats, lässt mitnichten den Schluss zu, dass das System der Regionalliga intakt ist Punkt 4: Das Management eines Fußballvereins unterhalb der Bundesligen, die durch signifikante Fernsehgelder relativ gesicherte Planungsgrundlagen haben, ist vor allem aktives Risikomanagement hinsichtlich der schwer planbaren Einnahmenentwicklung in einem Ligaumfeld, das wenig Spannungsgrad zulässt Punkt 5: Große Traditionsvereine haben vor allem mit den hohen Infrastruktur- und Sicherheitskosten zu kämpfen Punkt 6: Die vierte Liga darf nicht in der Hauptsache nur dazu da sein, Sparringspartner für die Ausbildungsvereine der Bundesligisten zu stellen Punkt 7: Es entspricht dem Sportgedanken, dass ambitionierte Vereine – vor allem die mit hohem Fanzuspruch – dieser „Strafliga“ schnellstmöglich entkommen wollen Punkt 8: In einem immer mehr kommerzialisierten Fußballalltag ist für Traditionsvereine immer schwieriger, sich ohne Mäzene oder Investoren einen kompetitiven Kader zu leisten, der den ersehnten (Wieder-)Aufstieg in die Bundesliga zu erreichen in der Lage ist Punkt 9: Meister müssen aufsteigen

Von daher können wir die Ausführungen und die darin gemachten Vorschläge von Herrn Dr. Welling nicht nur dankbar begrüßen, sondern möchten hiermit versuchen, diesen aus unserer Sicht durch unser „Like“ zu noch mehr Nachdruck zu verhelfen. Es wäre zu begrüßen, wenn sich auch andere Regionalligavereine diesem anschließen würden.

RWE ist - wie einige andere Vereine in der Regionalliga West - ein stolzer Verein mit einer großen Tradition. Trennt uns zwar sportliche Rivalität, so eint uns die Wahrnehmung der tristen und oft mit seriöser Planung fast ausweglos erscheinenden Regionalliga-Realität. Zu oft scheitert der Anspruch konzernhafter Anforderungen an der Wirklichkeit ehrenamtlichen Engagements.

Bitte verstehen Sie, sehr geehrter Herr Dr. Koch, diesen Brief so wie er gemeint ist, nämlich als dringenden Apell für eine umfassende Auseinandersetzung mit einem Thema, das viele Regionalligavereine umtreibt. Wir würden uns daher wünschen, dass Sie Ihre Aussagen im Lichte der vorgenannten Argumente noch einmal überdenken und gemeinsam mit den sicher mehrheitlich in dieser Hinsicht mehr als willigen Vereinen bereit wären, aktiv und konstruktiv mit an einer Strukturreform zu arbeiten, wozu wir – wie nach deren Bekunden ja auch andere Vereinsvertreter – jederzeit bereit sind. Denn die jetzige Struktur birgt das Risiko – zumindest in der vierthöchsten deutschen Spielklasse – vieles kaputt zu machen, was eigentlich Werbung für den Fußball machen sollte. Wir Alemannen jedenfalls kämpfen weiter für unsere Zukunft!

Mit sportlichen Grüßen aus Aachen

Für den bisherigen Aufsichtsrat der Alemannia Aachen GmbH

Dr. Christian Steinborn

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