Schweren Herzens hat der Gladbecker Pierre Nowitzki im Sommer 2016 seinen Stammverein SV Horst 08 nach knapp 20 Jahren verlassen, um zum Oberligisten TSV Marl-Hüls zu wechseln. Als langfristiges Ziel gaben die Hülser den Aufstieg in die Regionalliga aus. Der damalige Fußballvorstand hatte große Ziele. Jetzt ist alles ganz anders gekommen.
Der Klub hat sich nach dem 9. Spieltag aus der Oberliga zurückgezogen, die 1. Mannschaft ist vom Spielbetrieb abgemeldet worden und steht als erster Absteiger fest. Gerüchte um eine Abmeldung gibt es schon seit Wochen, seit dem Wochenende gibt es Gewissheit. „Es ist die schwierigste Situation meiner Laufbahn, ein absoluter Tiefpunkt“, sagt Pierre Nowitzki, der den TSV Marl-Hüls in dieser Saison sogar als Kapitän aufs Feld geführt hat.
Im April war der Verein ins Visier der Steuerfahndung Bochum geraten, bei einigen Spielern wurden sogar die Wohnungen durchsucht. Anfang September trat der Fußballvorstand geschlossen zurück – spätestens seit diesem Zeitpunkt war klar, dass beim Traditionsklub ein ganz neuer Wind wehen wird. Leistungsträger wie die beiden Ex-Schalker Michael Smykacz und Sebastian Westerhoff hatten die Marl-Hülser, die in der vergangenen Saison Rang vier belegten, schon vor Saisonbeginn verlassen. Pierre Nowitzki nicht. Er hatte dem Fußballvorstand sein Wort gegeben zu bleiben. Wenige Tage nach dem Ende der Wechselfrist wurde er informiert, dass die glorreichen Zeit am Loekamp wohl vorbei sein würden. „Ich will da niemandem eine Absicht unterstellen. Der Zeitpunkt hätte aber unglücklicher nicht sein können.“
Thorsten Legat sollte übernehmen
Trainer Michael Schrank trat vor knapp einem Monat zurück, in den vergangenen Wochen übernahm der Mannschaftsrat um Pierre Nowitzki das Training und legte sonntags auch die Aufstellungen für die Oberliga-Spiele fest. Dinge, die Pierre Nowitzki nicht für möglich gehalten hatte. „Das war dem TSV Marl-Hüls nicht würdig“, sagt er.
Vor gut einer Woche stand dann Thorsten Legat vor den Spielern in der Kabine und hielt eine Motivationsrede. Ein Sponsor soll den Kontakt hergestellt haben, er hätte wohl auch eine Verpflichtung des Ex-Profis und ehemaligen Dschungel-Camp-Bewohners finanziell gestemmt. Daraus wurde allerdings nichts, weil die sich Spieler mit, wie Pierre Nowitzki berichtet, großer Mehrheit dazu entschlossen haben, für die Einstellung des Spielbetriebs zu stimmen. Es wäre nur weitergegangen, wenn die Spieler auf ein Großteil ihres Gehalts verzichtet hätten. Die Mannschaft veröffentlichte anschließend eine Stellungnahme, in der es unter anderem heißt: „Das Vertrauensverhältnis ist in dieser Zeit so stark beschädigt worden, dass eine weitere Zusammenarbeit so leider nicht mehr möglich ist.“
Auch Nowitzki gehörte zu den Spielern, die anschließend in den sozialen Medien als „Söldner“ beschimpft wurden. Der gebürtige Bueraner stellt klar: „Es geht uns allen in erster Linie darum, Fußball zu spielen. Man darf aber nicht vergessen, dass wir einen sehr hohen Aufwand betreiben – sowohl zeitlich als auch finanziell. Von uns wohnt keiner gleich neben dem Trainingsplatz. Viele von uns studieren und sind auf das Geld, das zugesagt wurde, angewiesen.“ Pierre Nowitzki selbst wohnt in Gladbeck, rund 25 Kilometer vom Vereinsgelände des TSV entfernt. Er studiert Sportwissenschaften an der Ruhr-Universität in Bochum.
Nowitzkis Zukunft ist offen
Wie es für den 24-Jährigen weitergeht, weiß er noch nicht. Sollte der TSV Marl-Hüls auch seine 2. Mannschaft vom Spielbetrieb abmelden, so wie es vom Vorstand angekündigt wurde, dürften die Spieler den Klub schon jetzt verlassen, ohne dass es eine Sperre nach sich ziehen würde. Pierre Nowitzki sagt, dass schon einige Vereine auf ihn zugekommen wären, um mit ihm über eine mögliche Verpflichtung zu sprechen. Eine Rückkehr zum SV Horst 08, der mittlerweile in der Landesliga spielt, schließt der Mittelfeldspieler aber aus.