„Adduktorenverhärtung ist die meist genannte Beschwerde“, grinst André Ujma. Der 20-jährige Mittelfeldspieler ist seit Wochen Stammgast bei Rossbach: „Ich habe allerdings nichts an der Leiste, sondern plage mich mit einem Muskelfaserriss herum. Bei Yvonne bin ich sehr gut aufgehoben. Sie bemüht sich wirklich klasse um uns und versteht ihr Handwerk.“
Auch Manager Ingo Pickenäcker ist das Tohuwabohu im Lazarett bereits aufgefallen: „Bei unserem alten Physio Heinz Münker war die Massagebank oft verwaist. Jetzt haben unsere Jungs viel mehr Verletzungen. Ich frage mich: Liegt es am falschen Training oder an Yvonne?“
Die Antwort ist einfach: Die 24-Jährige ist im rauen Männergeschäft des Amateurfußballs der Hingucker. Dass sie Sprüche kassiert, ist für Rossbach Alltag. Sie hat sich daran gewöhnt. Und spätestens nach der ersten Behandlung wissen auch die Spieler, dass die Blondine nicht nur attraktiv ist, sondern vor allem ihr Handwerk versteht. Die Physiotherapeutin hat zwar erst im Oktober 2011 ihr Staatsexamen bestanden, aber schon einen großen Karriereschritt hinter sich.
Im Januar gehörte sie zu den Auserwählten bei den 1. Olympischen Jugend-Winterspielen in Innsbruck – eine Auszeichnung. Rossbach kümmerte sich um Sportler aus 65 Nationen. Wie sie den Sprung ins internationale Geschäft geschafft hat und wie sie mit den Frotzeleien der Fußballer umgeht, verrät Rossbach im Interview mit RevierSport.
Frau Rossbach, wie haben Sie es geschafft, in den medizinischen Stab bei den Olympischen Spielen zu kommen?
Ich habe mich bei Britta Völker beworben. Sie war für die medizinische Betreuung der Sportler verantwortlich. Das Auswahlverfahren war sehr streng, weil es bei der Olympiade um richtig viel geht. Ich war dort auch die Jüngste, dennoch waren wir gleichgestellt. Ich habe auch die Chance genutzt, um zu lernen. Denn es waren Physiotherapeuten dabei, die bereits bei der Leichtathletik-WM in Berlin behandelt haben. Von ihnen habe ich mir auch den ein oder anderen Trick abgeschaut.
Was waren Ihre Aufgaben?
Wir haben eng mit den Ärzten zusammengearbeitet. Der erster Kontakt der verletzten Sportler war mit dem Arzt, der eine Diagnose stellte und sie dann zu uns schickte. Wir haben dann die Behandlung und den Therapieplan erstellt. Für mich war es eine tolle Erfahrung, auch wenn wir extrem lange Behandlungszeiten hatten. Wir waren von morgens 8 bis abends 23 Uhr im Einsatz.
Was waren die häufigsten Verletzungen?
Nach dem Snowboard-Wettkampf waren es hauptsächlich Kreuzbandverletzungen. Mein schwierigster Fall war aber eine Wirbelfraktur eines Skeletonfahrers. Ansonsten mussten wir hauptsächlich Prellungen, muskuläre Beschwerden oder ältere Trainingsblessuren versorgen.
Neben Ihrem Hauptberuf als Physiotherapeutin im Rehazentrum Oberhausen, in dem auch die RWO-Profis behandelt werden, arbeiten Sie beim VfB Speldorf. Wie sind Sie nach Mülheim gekommen?
Letztes Jahr habe ich noch während der Ausbildung die U19 von Rot-Weiss Essen betreut. RWE arbeitet mit der „Praxis Zetzmann“ zusammen. Ingo Pickenäcker ist Rot-Weisser und hat dort gefragt, ob sie nicht jemanden empfehlen können. Herr Zetzmann hat mich vorgeschlagen und schon war ich beim VfB.
Der VfB hat gerade erst eine neue Kooperation mit der „Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg Buchholz“ abgeschlossen. Sehen Sie darin Konkurrenz?
Nein, im Gegenteil. Ich habe den Kontakt zu Florian Hammes hergestellt. Es erleichtert meine Arbeit, weil ich nun einen Ansprechpartner habe. Für meine Arbeit brauche ich einen Arzt.
Und wie läuft die Zusammenarbeit?
Es ist ein perfektes Zusammenspiel. Das haben wir aktuell bei Eric Yahkem gesehen. Er hatte einen Außenmeniskuseinriss. Ich schickte ihn in die Klink, er bekam sofort einen MRT-Termin und war zwei Tage später bereits operiert. Seit Montag mache ich nun die Reha mit ihm.
Wie kommen Sie denn als Frau im rauen Männergeschäft klar?
Ich habe mich super eingelebt. Die Jungs, der Trainer, das gesamte Umfeld - alle sind klasse. Natürlich ist es als Frau nicht einfach, aber wir haben einen guten Mittelweg gefunden. Das heißt auch, dass Sie nach wie vor Sprüche kassieren? Natürlich, aber die sind alle in Ordnung. Außerdem kann ich auch gut kontern. Das haben die Jungs schnell gemerkt.
Sie waren in der Jugend aktiv, betreuen jetzt die Senioren und kennen auch die Profis. Gibt es Unterschiede?
Natürlich geht es im Seniorenbereich anders zur Sache als in der Jugend. Zu Beginn war es auch für mich komisch, Spieler zu behandeln, die plötzlich in meinem Alter sind. Aber das haben wir hinbekommen. Jetzt haben wir ein freundschaftliches Verhältnis und eine gute Vertrauensbasis. Zwischen Amateuren und Profis gibt es aber keinen Unterschied. Es sind halt Männer.
Was sagen die Gegner?
Von denen kommen natürlich Sprüche, wenn ich aufs Feld gehe. Genauso wie von den Fans. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Es ist schließlich mein Job. Und so lange die Sprüche auch noch etwas Positives für mich beinhalten, ist es okay.