Doch das Interesse am SV Vonderort II war groß. Rund 100 Zuschauer wollten am Samstag die Mannschaft sehen, die in der Woche zuvor eine historische 0:43-Niederlage hatte einstecken müssen. Ein gutes Dutzend Journalisten war auch dabei. Es wurde fotografiert, interviewt und gefilmt. Das komplette Geschehen landete per Livestream im Internet. Dass der SV auch diesmal sportlich überfordert war, interessierte niemanden. Das Spiel gegen die Batenbrocker Ruhrpott-Kicker III ging mit 0:8 verloren.
„Jetzt nicht. Die ersten fünf Minuten gehören meiner Mannschaft“, erklärte Yvonne Liesenfeld nach Spielende. Fragen zum 0:8 wollte die Trainerin des SV Vonderort noch nicht beantworten. Für die 35-Jährige hatte der Austausch mit ihren Jungs Priorität. Liesenfeld klopfte auf Schultern, tröstete und erklärte: „Wir haben heute viel von dem umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben.“ Und das war gar nicht so einfach bei dem ganzen Trubel um die Mannschaft. Liesenfeld wollte beim ganzen Hype um ihre Mannschaft den Blick auf das Wesentliche behalten. Die Bottroperin hat die Mannschaft erst vor sieben Monaten aus der Taufe gehoben, um eine Anlaufstelle für Flüchtlinge zu sein. Menschen ohne Orts- und Deutschkenntnisse sollen beim SV Vonderort eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung finden, der gemeinsame Sport soll ihnen dabei helfen, sich in den Ruhrgebiets-Alltag zu integrieren.
Sportlich läuft es längst noch nicht rund. Die Mannschaft kassierte im Derby gegen Batenbrock in der ersten Halbzeit zwei Treffer und nach dem Seitenwechsel sechs weitere. Doch: Die Mannschaft ertrug die Schmach mit Größe und einer sportlichen Fairness, die viele der Zuschauer erstaunte. Liesenfeld wunderte das nicht: „Uns allen war klar, dass es eine schwere erste Saison werden würde. Und mir gefällt es nicht, wenn sich Erwachsene wie Kleinkinder verhalten. Wir haben klare Regeln, an die sich alle zu halten haben. Das betrifft auch das Verhalten auf dem Platz.“ Das bekam an diesem Tag auch Hayder Alsaedi zu spüren. Der junge Mann, der erst vor wenigen Monaten aus Syrien nach Deutschland kam, hatte sich in der Halbzeitpause eigenmächtig umgezogen. Liesenfeld sprach Klartext mit ihm. Auf englisch. Hayder streifte sich danach einsichtig wieder das Trikot über, wartete auf der Ersatzbank geduldig auf seinen Einsatz.
Eine Frage des Respekts. Und den genießt die Bottroperin bei ihren Fußballern. Und das, obwohl sie selbst erst wenige Monate Trainer-Erfahrung hat. Eine schwere Erkrankung brachte sie zum Fußball. Im Anschluss an das Spiel ließ Liesenfeld durchblicken, wie wichtig ihr die neue Berufung schon jetzt geworden ist: „Meine Jungs haben mir meinen Glauben zurückgegeben. Und das Selbstvertrauen, das ich brauche, um wieder richtig auf die Beine zu kommen.“ Respekt sei innerhalb der Mannschaft eine Sache von Geben und Nehmen. „Das ist die Grundlage für alles Gemeinsame“, so Liesenfeld. Die Rolle als Trainerin liegt ihr: „Vorher hatte ich nur meine Kinder, die Pferde und eine Gitarre. Jetzt kümmere ich mich um eine ganze Fußballmannschaft.“
Mit der wird sie in den kommenden Wochen nicht allein sein. Das bundesweite Aufsehen der 0:43-Niederlage hat auch Hans Sarpei auf den Plan gerufen. Der ehemalige Profi wird den C-Kreisliga-Fußballern einen Besuch abstatten.